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Wer anders liebt (German Edition)

Wer anders liebt (German Edition)

Titel: Wer anders liebt (German Edition)
Autoren: Karin Fossum
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etwas stahl sich dazwischen und ließ ihr Gespräch verstummen. Ein Geruch. Ein schwerer, fauliger Gestank hing in der Luft. Der ältere der Jungen, Ellemann, erhob sich und sah sich um.
    »Der Erdkeller«, sagte er.
    Aufgeregt und nervös machte er sich auf die Suche nach der Kellerluke, er stampfte mit seinen schweren Stiefeln systematisch auf den Boden. Bald hörten sie das Geräusch von Absätzen auf Holz. Sie scharrten Gras und Blätter zur Seite, und niemand sagte etwas, denn der Gestank weckte schlimme Befürchtungen und verschlug ihnen den Atem.
    Da war der Riegel.
    Das verrostete Eisen jammerte und ächzte heftig.
    46
     
    Edwin Åsalid lag auf einer alten Sprungfedermatratze.
    Er lag auf dem Bauch, die Arme ausgestreckt, er erinnerte an einen gestrandeten Wal. Unten im Kellerloch lag allerlei Abfall, Zeitschriften und alte Zeitungen, Schokoladenpapier und leere Bierdosen. Eine morsche Treppe mit vier Stufen führte nach unten, und der Keller war niedrig. Früher waren dort Kartoffeln aufbewahrt worden, und einige Jugendliche aus dem Dorf hatten dieses Versteck entdeckt. Sie nahmen es für ihre Aktivitäten in Besitz. Bisher hatte die Leiche sich aufgrund der Kälte gut gehalten, aber jetzt war es mild geworden und der Verwesungsprozess hatte eingesetzt. Auf dem Weg zum See hatten sich Gaffer versammelt, dort standen die Einsatzwagen, die Techniker hatten ihre Ausrüstung über das Feld getragen.
    Skarre riss einen Grashalm aus der Erde.
    »Was glaubst du?«, fragte er.
    »Nicht viel«, sagte Sejer. »Bis auf Weiteres.«
    »Er ist angezogen. Er hat nicht die Hose verloren, so wie Jonas. Darüber sollten wir uns vielleicht freuen?«
    »Vielleicht.«
    Skarre biss in den Grashalm.
    »Der Mörder kommt aus Huseby«, sagte er. »Das muss so sein, wo er doch diesen Keller kennt.«
    »Wie heißt der Bauer?«, fragte Sejer und nickte nach Fagre Vest hinüber.
    »Skagen. Waldemar Skagen.«
    »Ist er nach Edwins Verschwinden vernommen worden?«
    »Ja«.
    »Wir müssen vielleicht noch einmal mit ihm reden.«
    »Kann man nach so langer Zeit sexuellen Missbrauch noch feststellen?«, fragte Skarre.
    »Das will ich doch hoffen«, sagte Sejer. »Snorrason wird schon nichts übersehen.«
    »Wie groß ist der Keller?«
    »Vielleicht sechs Quadratmeter, was meinst du? Die jungen Leute haben die alte Matratze natürlich genutzt. In dem dunklen Loch kann man doch außer knutschen nicht viel machen.«
    »Werden sie noch heute Abend hier fertig?«
    Sejer schaut zu den Technikern hinüber.
    »Das hoffe ich. Edwin muss morgen obduziert werden, ich hoffe, Snorrason findet etwas. Was sagst du zu dem Versteck?«
    »Das ist natürlich clever«, sagte Skarre. »Im Winterhalbjahr kommt niemand hierher, und er musste nicht graben. Er brauchte nur die Luke fallenzulassen und den Riegel vorzuschieben.«
    »Wenn die Jugendlichen nicht gerade heute Abend in romantischer Stimmung gewesen wären, hätte er den ganzen Sommer über hier liegen können«, sagte Sejer.
    Ein Techniker kam mit einer Plastiktüte auf sie zu. Der Inhalt war durch das durchsichtige Material zu erkennen.
    »Das hier haben wir gefunden«, sagte er. »Wollt ihr mal sehen?«
    Sejer nahm die Tüte.
    »Tragt die oberste Erdschicht ab und siebt sie durch. Lasst euch keinen Zweig und keinen Grashalm entgehen. Wir können nur hoffen, dass er etwas hinterlassen hat. Habt ihr Waffen gefunden?«
    »Nein.«
    Sejer sah sich den Inhalt der Tüte an.
    »Eine Zeitschrift«, sagte er, »eine Tageszeitung. Eine leere Packung Drehtabak. Zwei Bierdosen, Marke Frydenlund, samt Kronkorken. Ein fast zahnloser Kamm, ein Schokoladenpapier. Kerzenstummel, Apfelsinenschalen. Ein Haargummi. Oder ist das kein Haargummi?«
    »Doch«, sagte Skarre.
    Sejer musterte noch immer den Inhalt der Tüte.
    »Weißt du noch, was die Jungen unten auf dem Steg gemacht haben?«, fragte er.
    »Sie haben über Alex Meyer gesprochen«, sagte Skarre. »Und dabei haben sie Süßigkeiten gegessen.«
    »Richtig«, sagte Sejer. »Gummifrösche.«
    Er zeigte mit einem Finger auf die Fundsachen.
    »Und hier liegt die Tüte.«
    47
     
    Snorrason war ein langsamer und methodischer Mann mit sanftem und ruhigem Auftreten, und er war nicht unbeeinflusst von dem Kind, das da vor ihm lag. Einzelne Teile von Edwins Körper waren von grauweißem Leichenfett bedeckt, von schwellenden Massen, die das eigentliche Fettgewebe ersetzten, dieses Fett hatte die Leiche acht Monate lang konserviert. Jetzt war der Körper geöffnet worden, die
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