Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
leben,
hinterm Mond, wie du sagst, so sind sie dennoch gewitzte Schlauberger.“
    Er trinkt sein Glas leer. Seine Augen
leuchten so hell wie Scheinwerfer bei nächtlichen Abbrucharbeiten.
    „Sein Freund Fernand, der im Princess arbeitet, auch so ein kleiner Gauner wie der hier, hat sich die gesamte
Kollektion unter den Nagel gerissen. Anscheinend waren sogar Filme dabei, stell
dir das vor! Ja, Montpellier ist Großstadt geworden. Wachsende Bevölkerung,
jede Menge Autos, Nachtclubs. Ja, mein Lieber! Nachtclubs... mit Striptease...
Verkauf von Pornos... und Rocker!“
    Er redet wie der Leiter des
Fremdenverkehrsamtes. Ich habe das Gefühl, daß er keinen Alkohol verträgt.
    „Eine Großstadt!“ jammert er.
    Es scheint so, als bedaure er die
Veränderungen in Montpellier. Ich stimme ihm zu:
    „Eine Großstadt, erwachsen, geimpft
und voll von gewitzten Schlaubergern.“
    „Du sagst es! Zu unserer Zeit...“
    In diesem Augenblick dringt
Stimmengewirr aus der Eingangshalle zu uns ins Hinterzimmer und beendet sein
Gejammer. Eine ungeduldige Hand bedient mehrmals hintereinander die Klingel auf
der Rezeptionstheke.
    „Sieh nach, was das soll, Gérard“,
brummt Bruyèras. „Ich hab keine Lust mehr...“
    Der Page springt auf und sieht nach,
was das soll, so wie sein Vorgesetzter es ihm befohlen hat. Auch der Junge
scheint ziemlich blau zu sein, sonst würde er nicht mit dem Glas in der Hand zu
den ungeduldigen Gästen hinausgehen. Bei denen kommt so was nämlich meistens
nicht sehr gut an. Als Bruyèras die Gefahr erkennt, ist es schon zu spät.
Gérard plaudert bereits draußen mit den Gästen. Bleibt nur zu hoffen, daß seine
Gesprächspartner an seinem zwanglosen Benehmen keinen Anstoß nehmen. Resigniert
stößt Bruyèras einen Seufzer aus.
    Nach einer Weile kommt Gérard wieder
zurück. Ohne Glas. Hat’s wohl auf der Theke stehenlassen.
    „Die Leute von 75 sind nach Hause
gekommen“, erklärt er. „Die, die morgen mittag abreisen.“
    „Ach so“, sagt Bruyèras erleichtert.
    „Ich soll denen drei Flaschen Whisky
aufs Zimmer bringen. Die von 78 sind auch dabei. Lustige Vögel sind das! Wollen
sich bestimmt feuchtfröhlich voneinander verabschieden...“
    „Du wirst nicht bezahlt, um dir über
die Absichten der Gäste den Kopf zu zerbrechen“, knurrt Bruyèras, der sich wieder
gefangen hat. „Du sollst nur ihren Wünschen nachkommen... zum Nachttarif.“
    Gérard geht wieder hinaus, um seinen
Pflichten nachzukommen. Ich trinke mein Glas leer.
    „Ich bin immer noch ganz baff“, sagt
mein ehemaliger Mitschüler und jetziger Nachtportier kopfschüttelnd. „Und da
rede ich und rede und hab dich noch gar nicht gefragt, wie’s dir so geht, die
Geschäfte und so, na ja, all das!“
    „Geht so.“
    „Ja, klar! Wie blöd von mir! Wenn du
hier absteigst, muß es dir wohl gut gehen. Apropos, was führt dich eigentlich
her? Dein Beruf? Eine Ermittlung?“
    „Nein. Nur der Tourismus. Urlaub, mit
anderen Worten. Außerdem familiäre Verpflichtungen. Hab noch einen Onkel und
mehrere Cousins hier wohnen.“
    „Stell dir vor, einen Moment lang hab
ich gedacht, du wärst wegen dieser Geschichte hier. Du weißt schon, wegen
dem... äh... zurückgelassenen Koffer.“
    „Ganz und gar nicht.“
    „So, das hätten wir!“ ruft Gérard
lachend, als er wieder zurück ist. „Hab ich doch gesagt: Die schlafen noch
lange nicht, die beiden Paare da oben.“
    Ich stehe auf.
    „Na schön. Also, Freunde, ich weiß
nicht, ob ich bald schlafen werde oder nicht, aber mir wär’s jedenfalls lieb,
wenn mir jemand mein Zimmer zeigen würde.“
    Bruyèras und ich tauschen noch ein
letztes Mal unsere Bazillen per Händedruck aus. Gérard schnappt sich meinen
Koffer, und ich folge dem Jungen durchs Treppenhaus und über Flure, die in
heimeliges, ein wenig geheimnisvolles Dämmerlicht getaucht sind und in denen
noch der Duft weiblicher Parfüms wahrzunehmen ist. Wie zwei Schatten gleiten
wir lautlos über den dicken Teppichboden auf das Zimmer Nr. 83 zu. Im Hotel
herrscht beinahe vollkommene Stille. Wenn irgendwo auf dieser oder einer
anderen Etage ein paar lustige Vögel dabei sind, sich zu besaufen, dann tun
sie’s sehr unauffällig.
    Der Page wahrt nun wieder den Abstand,
den er zu einem Gast zu wahren hat. Er schließt mein Zimmer auf, läßt mich
zuerst eintreten und zählt die verschiedenen Extras auf. Der behagliche,
beinahe luxuriöse Raum präsentiert seine verlockenden Vorzüge: Bad, Radio auf
dem Kaminsims und Telefon am
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher