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Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen
Autoren: Léo Malet
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Situation
zu verbessern. Agnès blieb sich selbst überlassen. Sie ist“, er lacht, „ja,
auch sie ist unabhängig geworden. Ein, zweimal pro Woche schlief sie in letzter
Zeit außer Haus. Immer unter demselben Vorwand: Sie sei mit Freunden und
Freundinnen im Kino gewesen, und da keiner ihrer Freunde, die ein Auto besitzen
— falls es unter ihnen einen Autobesitzer gibt! — , ihr angeboten habe, sie
nach Hause zu fahren, und da zu der späten Stunde natürlich kein Bus mehr
fahre, habe sie bei einer Freundin übernachtet. Diese Freundin ist ein kleines
Luder von vierundzwanzig, fünfundzwanzig Jahren, Christine Crouzait...“
    „Moment“, unterbrach ich ihn, „kleine
Luder interessieren mich. Ich möchte ihren Namen in meine Sammlung aufnehmen.“
    „Sparen Sie sich die Mühe. Ich habe
mir schon gedacht, daß Sie sich mit den Bekannten von Agnès unterhalten wollen.
Mit denen zumindest, die wir kennen. Viele sind es nicht, aber ich habe eine
Liste zusammengestellt. Ich geb sie Ihnen später.“
    „Gut... Ich merke gerade, daß ich mein
Notizbuch im Hotel gelassen habe. Liegt wahrscheinlich neben dem Telefon...
Aber fahren Sie fort.“
    „Diese Christine, Friseuse von Beruf,
habe ich letzten Freitag persönlich aufgesucht. Sie lebt alleine, frei wie die
Vögel des Himmels, in einer Altbauwohnung, in der sie auch geboren ist. Sie hat
mir etwas verlegen gestanden, daß Agnès sie tatsächlich gebeten habe zu sagen,
daß sie manchmal bei ihr übernachte, obwohl es nicht stimme.“
    „Das beweist, daß die süße kleine
Agnès etwas weniger unschuldig ist als ihre Namenspatronin! Sie verbrachte also
hin und wieder die Nacht in den Armen eines Mannes. So was soll Vorkommen.
Davon bekommt man keinen Typhus.“
    „Nicht zu Hause schlafen und nicht
wieder nach Hause zu kommen, das sind zwei verschiedene Dinge. Und da ist noch
etwas anderes.“
    „Was denn?“
    „Später“, vertröstet mich Dorville und
macht eine unbestimmte Geste mit der rechten Hand. „Das hängt mit besagtem
seelischen Tief zusammen. Als Agnès zum ersten Mal nicht zu Hause geschlafen
hat, bekam Dacosta einen Tobsuchtsanfall. Mehr brauche ich wohl nicht zu sagen.
Ebenso beim zweiten Mal. Doch da bot Agnès ihm die Stirn und... Es war wirklich
nicht schön anzusehen. Ich hab die Auseinandersetzung mitgekriegt. Agnès warf
ihrem Vater Dinge an den Kopf, die absolut nichts mit der Sache zu tun hatten.
Er sei nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sie laufe rum
wie ein Clochard usw. Und in was für einem verächtlichen Ton! Nach dem Motto:
Angriff ist die beste Verteidigung. Sie ging in die Offensive, um keine
Erklärungen abgeben zu müssen. Damals habe ich auch geglaubt, daß sie einen
Freund hätte. Schließlich ganz normal in ihrem Alter...“
    Wir haben gut zwei Kilometer mit
Schlaglöchern überstanden. Jetzt biegen wir in eine ordentlich asphaltierte
Straße ein, die beidseitig von Platanen gesäumt wird. Die oberen Äste stoßen
über uns zusammen und bilden so etwas wie einen grünen Tunnel. Die Nacht und
die Straße gehören uns! Das einzige Fahrzeug, das uns begegnet, ist ein
schwerer Lastwagen, der behäbig durch die Kurven schaukelt.
    „Vom dritten Mal an hat Dacosta nichts
mehr zu den nächtlichen Ausflügen seiner Tochter gesagt“, fährt Dorville fort.
„Er fraß alles in sich hinein und wurde immer finsterer. War fest davon
überzeugt — wie er mir gestand — , daß man auch in Schicksalsschlägen den
Fingerzeig Gottes sehen müsse und man sich nicht dagegen auflehnen dürfe.“
    „Den Fingerzeig Gottes?“
    „Ja. Klar, Sie als überzeugter Atheist
können darüber nur lachen.“
    „Im Gegenteil, ich muß eher weinen.
Was soll dieser ganze Masochismus?“
    „Das besagte seelische Tief.“
    „Bei diesem verdammten seelischen Tief
kommt mir so langsam die Galle hoch! Klären Sie mich nun endlich darüber auf
oder nicht?“
    „Wenn Sie mit Dacosta gesprochen
haben, wie gesagt. Kommen wir wieder auf Agnès und den letzten Dienstag zurück,
den 3. Mai. Wie jeden Morgen nahm sie den Bus — die Haltestelle befindet sich
ganz in der Nähe ihres Hauses — , um zur Schule zu fahren. Eine Privatschule in
der Avenue d’Assas, Institution Sévigné. Abends nach der Schule kam sie
nicht nach Hause. Aber Dacosta war ebenfalls nicht da. War in eine Nachbarstadt
gefahren, um einen potentiellen Geschäftspartner aufzusuchen. Mittwoch abend
dann kam er zurück in sein Haus Petit Chêne. Gewisse Dinge deuteten
darauf
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