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Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen
Autoren: Léo Malet
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den Zimmerreservierungen nach.
    „Monsieur Burma... ja... Nestor
Burma...“
    Er wiederholt meinen Namen, so als
wolle er sich ihn für immer ins Gedächtnis eingraben.
    „...Da steht’s. Zimmer 83.“
    Mit der linken Hand nimmt er einen
Schlüssel vom Brett und knallt ihn heftig auf die Theke, so als wolle er ihn
plattklopfen. Mit der Rechten drückt er elegant auf eine Klingel, die einen
kristallklaren Ton von sich gibt. Beide Handlungen erfolgen so gut wie
gleichzeitig. Wenn er noch ein wenig übt, wird er mit dieser Nummer beim
nächsten Jahresbankett der Hotelportiers einen Riesenerfolg landen. Noch so ein
Schlauberger, dieser Nachtportier!
    Der kristallklare Ton läßt einen
jungen Pagen aus dem Schatten einer Grünpflanze herbeistürzen.
    „Gérard wird sie hinaufbegleiten,
Monsieur. Den Anmeldezettel... können Sie morgen früh ausfüllen.“
    Irgend etwas sagt mir, daß es ihm
lieber wäre, wenn ich das jetzt gleich erledigen würde. Das trifft sich gut.
Ich teile seine Meinung. Morgen und in den darauffolgenden Tagen werde ich
möglicherweise keine freie Minute haben, und ich lege stets großen Wert darauf,
die polizeilichen Vorschriften einzuhalten. Ich kenne keinen einzigen Flic hier
in der Stadt und möchte nicht den Eindruck erwecken, als wolle ich mit den
Behörden Versteck spielen. Ich habe die Absicht, von Anfang an offen und
ehrlich zu sein. Oder zumindest so zu tun.
    „Besser, wir erledigen das sofort“,
sage ich deshalb.
    Eilig reicht er mir das
Anmeldeformular, das ich gewissenhaft ausfülle. Auch die blödesten Angaben sind
mir nicht zu blöd. Als alles ausgefüllt ist, nimmt der Portier den Zettel in
die Hand und legt ihn zu den anderen, nicht ohne scheinbar gedankenlos einen
Blick darauf zu werfen. Irgendeine Angabe veranlaßt ihn, die Augenbrauen
hochzuziehen. Wahrscheinlich mein Beruf. „Privatermittler“, so etwas regt die
Phantasie an. Jedenfalls mustert er mich zum ersten Mal mit Augen, aus denen
jede Schläfrigkeit gewichen ist, und ein richtiges, echtes Lächeln hellt sein
Gesicht auf.
    „Entschuldigen Sie, aber...“ beginnt
er zu stottern. „Ich glaube, ich gehe recht in der Annahme, daß... Auf Ihrem
Zettel habe ich soeben gelesen, daß Sie hier geboren sind... wie ich, und auch
noch im selben Jahr... Und ich frag mich... äh... Haben Sie vielleicht eine
Zeitlang die Ecole supérieure Michelet besucht?“
    „Allerdings.“
    „Sie haben eine Zeitung gegründet,
glaube ich... L’Echo du Chahut.“
    „Stimmt genau.“
    Er stößt einen gewaltigen Seufzer aus
und wirft den Besenstiel weg, den er verschluckt zu haben schien.
    „Scheiße auch!“ ruft er und streckt
mir seine Pranke über die Theke hinweg entgegen. „Erkennst du mich nicht?
Bruyèras. Wir sind wegen eben diesem verdammten Käseblatt von der Schule
geflogen!“
    Bruyèras? Ich krame ein wenig in
meinem Gedächtnis. Ja, ich erinnere mich vage an einen Burschen dieses Namens.
Sehr vage. Aber warum ihn enttäuschen? Ich tue so, als wäre er all die Jahre
hindurch in meinem Kopf umhergegeistert, und drücke die ausgestreckte Hand.
    „Bruyèras, altes Haus!“ rufe ich nun
meinerseits. „Aber ja, natürlich! Ach, Scheiße nochmal!“
    Wo zwei sind, läßt der dritte nicht
lange auf sich warten. Gérard, der Hotelpage, meint auch seinen Senf — nennen
wir’s mal so — dazugeben zu müssen.
    „Alte Klassenkameraden, was? Scheiße
nochmal!“
    „Mach dich lieber nützlich, anstatt
hier unanständige Wörter zu benutzen!“ schnauzt ihn Bruyèras an. „Hol uns was
aus dem Bistro zu trinken! Du trinkst doch einen Whisky mit mir, oder, Nes?
Drei William Lawson’s, Gérard. Einer ist für dich.“
    „Oh, vielen Dank, M’sieur Gustave!“
ruft der Page und eilt davon.
    Bruyèras, Gustave für die Damen,
schielt zur Eingangstür hin.
    „Um diese Zeit wird’s wohl keinen
Ärger mehr geben“, sagt er, „aber wir gehen doch besser ins Hinterzimmer.“
    Wir wechseln ins Hinterzimmer, eine
Art Garderobe fürs Hotelpersonal. Hier gibt es alles, um sich gemütlich
hinzusetzen oder eine Runde zu schlafen. Kurz darauf kommt Gérard mit drei William
Lawson’s herein. Wir machen es uns bequem, stoßen an und trinken.
    „Tja“, sagt Bruyèras, „kaum zu
glauben, was? Wenn ich geahnt hätte, daß du heute nacht an meiner Rezeption
auftauchst! Als ich deinen Namen auf der Liste der Reservierungen gelesen hab,
hat’s schon irgendwie bei mir geklingelt. Burma! Der Name kam mir bekannt vor.
Aber sicher war ich mir
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