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Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen
Autoren: Léo Malet
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doppelten Doppelgänger, dessen flinke Äuglein mir gar
nicht gefallen. Ich weiß nicht, ob es die eines gehetzten Mannes sind oder die
eines Halunken, der irgendein krummes Ding vorhat. Sicher, die Erfahrung hat
mich gelehrt, daß der Schein trügt. Aber trotzdem... Wenn Dorville mich nicht
im letzten Augenblick über die strafrechtliche Situation des Mannes aufgeklärt
hätte, würde ich ihn wie eine heiße Kartoffel fallenlassen. Aber ich möchte
nicht den Eindruck erwecken, daß ich Ängste habe, mich mit jemandem
einzulassen, der in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde.
    Zum ersten Mal, seit wir uns kennen,
sieht mir Dacosta offen ins Gesicht.
    „Vielen Dank, daß Sie sich herbemüht
haben“, stößt er hervor, so als müßte er sich dazu zwingen. „Ich hoffe, Sie
finden Agnès wieder...“
    Er spricht mit schleppender, monotoner
Stimme. So ausdrucksvoll wie ein Nilpferd, und vielleicht auch mit derselben
Vorsicht zu genießen. Entweder ist er müde und abgestumpft, unempfindlich gegen
jeden Schmerz; oder aber das Schicksal seiner Tochter läßt ihn vollkommen kalt.
    „...Sie erwarten bestimmt, daß ich
Ihnen erzähle...“
    „Ich habe unseren Freund bereits
informiert“, unterbricht ihn Dorville. „Wir sind nur hergekommen, weil ich der
Meinung war, er sollte dich kennenlernen. Reine Formsache. Aber natürlich,
wenn...“
    Dorville sieht mich an.
    „...wenn Sie eventuell Fragen
haben...“
    „Im Augenblick nicht“, sage ich. „Ich
würde nur gerne wissen, was die Vermißte am letzten Dienstag anhatte. Schlecht
wäre es auch nicht, wenn Sie mir ein Foto von ihr geben könnten. Und dann würde
ich mir gerne ihr Zimmer ansehen. Auch das ist nur reine Formsache. Und
vergessen Sie bitte nicht die Liste, Dorville, von der Sie gesprochen haben.“
    „Ihr Zimmer?“ fragte Dacosta
abweisend. „Was glauben Sie dort zu finden?“
    „Nichts, wahrscheinlich. Ich nehme an,
daß Sie bereits einen Blick hineingeworfen und nichts Besonderes entdeckt
haben. Sonst würden Sie es mir bestimmt sagen. Aber ich möchte es mir trotzdem
ansehen.“
    „Stimmt, wir haben einen Blick
hineingeworfen. Ich, Dorville und Laura. Ich kann Ihnen versichern, daß die
Kleine nichts zurückgelassen hat, was uns auch nur den kleinsten Hinweis auf
ihren Aufenthaltsort geben könnte.“
    „Entschuldigen Sie, aber das zu
beurteilen, überlassen Sie bitte mir. Wir sehen mit verschiedenen Augen, Sie
und ich.“ ja.
    Er wirft mir einen schrägen Blick zu.
Ich weiß, was er denkt. Er hält mich für einen dieser Lüstlinge, die gerne mit
ihren Pfoten in noch warmen Nylonsachen wühlen. Soll der Teufel ihn holen! Von
mir aus kann er sich vorstellen, was er will. Wenn’s ihm Spaß macht! Dadurch werde
ich mich nicht aus der Fassung bringen lassen, genausowenig wie durch seine
bloße Anwesenheit. Er hat Glück, daß er ein Freund von Laura Lambert und Jean
Dorville ist!
    „Hier“, sagte letzterer, „das ist die
Namensliste.“
    Er reicht mir ein Blatt Papier. Eben
im Wagen hat er mir gesagt, daß der bekannte Bekanntenkreis von Agnès nicht
besonders groß sei. In der Tat! Auf dem Blatt stehen die Namen und Adressen von
nur vier Personen. Ich lese sie laut vor: „Christine Crouzait, Rue
Bras-de-Fer... Ist das die Friseuse, bei der Agnès angeblich hin und wieder
übernachtet hat?“
    „Ja“, sagt Dorville.
    „Rue Bras-de-Fer, ist das ihre Wohnung
oder ihr Arbeitsplatz?“
    „Ihre Wohnung. Arbeiten tut sie in
einem Friseursalon, aber wir wissen nicht, in welchem.“
    „Ist auch nicht so wichtig im
Augenblick. Ich habe nicht die Absicht, ihr meine Fragen zwischen Trockenhauben
zu stellen.“
    Ich sehe wieder auf die Liste.
    „Solange
Bacan, Cité de la Source, Faubourg Celleneuve... In dem Block mit Sozialwohnungen also...“
    „Eine ihrer Mitschülerinnen“, meldet
sich Dacosta zu Wort. „Die beiden sind Freundinnen von klein auf. Die Bacans
sind auch aus Algier.“
    „Und der nächste, der in demselben
Block wohnt, Serge Estarache?“
    „Ebenfalls repatriiert“, sagt Dacosta.
„Man kann die Familie zwar nicht als enge Freunde bezeichnen, aber wir kennen
uns.“
    „Roger Mourgues, Mas des Merles,
Chemin Lapoujade „Ein Nachbar von uns. Der Chemin Lapoujade liegt auf der
anderen Seite der Straße.“
    Dacostas Geste weist nach draußen,
durch die Zimmerwand hindurch.
    „Sein Vater ist Winzer. Franzose.
Roger studiert. Medizin, glaub ich. Agnès und er kennen sich aus dem Bus. Sie
fahren jeden Morgen um dieselbe Zeit in die
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