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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird
Autoren: Manuela Martini
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sich das Blut abzuwaschen.
    War das Auto vorbeigefahren oder hielt es lediglich hinter der Kurve? Kein Türenschlagen, keine Schritte auf dem Kies waren zu hören.
    »Kein Auto weit und breit«, verkündete er. Auf das Türklingeln warteten wir vergebens. »Immerhin keine Bullen«, meinte Tammy.
    Inzwischen war es Nachmittag geworden. Ich ging hinaus zum Pool und blickte in den blassen Himmel. Ich sagte mir, hinter diesen so undurchdringlich erscheinenden grauweißen Wolkenschichten schien die Sonne und ich müsste nur lange genug warten und der Himmel wäre wieder blau.
    Es wurde später und später. Julian ging hinaus und kontrollierte den Handyempfang. Alles war in Ordnung, doch nichts geschah.
    Wie viel Uhr es mittlerweile war? Ich weiß es nicht mehr. Ich kam von der Terrasse ins Wohnzimmer zurück und Claas zündete einen Joint an.
    »So Leute«, sagte er nach dem ersten Zug. »Es reicht mit dem Warten, findet ihr nicht auch? Ich jedenfalls hab keine Lust mehr.«
    »Lust?« Meine Stimme überschlug sich. »Lust? Denkst du, auch einer von uns hat überhaupt jemals Lust zu all dem hier gehabt?«
    »Wir sind doch nicht die ganze Strecke hier runtergebrettert, um einfach wieder nach Hause zu fahren!« Julian schüttelte den Kopf. »Kommt nicht infrage. Wir bleiben und erledigen das jetzt, endgültig.«
    Claas hockte auf der Couch, sah uns der Reihe nach an und sagte mit einem Kopfschütteln: »Ich glaube nicht, dass er noch kommt.«
    »Er will uns auf die Folter spannen, ist doch klar«, sagte Julian und goss sich noch mehr Wodka-Red-Bull ein.
    »Aber wie lange sollen wir uns denn noch auf die Folter spannen lassen?«, fragte Tammy.
    Claas lächelte sie herablassend an, stand dann langsam auf und füllte auch sein Glas auf. »Was würdet ihr sagen, wenn gar kein Erpresser kommen würde?«
    »Wie kommst du da drauf? Meinst du, er hat Schiss gekriegt?« Julian kippte das halb volle Glas in einem hinunter.
    »Vielleicht reicht es ihm auch einfach, uns in ein bisschen Angst und Panik zu versetzen.«
    »Kannst du mal aufhören, dich so wichtig zu machen!« Tammy funkelte Claas wütend an.
    Claas’ Lippen umspielte ein Lächeln und fast genüsslich langsam forderte er uns auf: »Also, Leute, sucht euch alle mal einen Platz!«
    »Tickst du noch richtig?«, wandte ich ein, »wir sind hier nicht im Kindergarten.«
    »Klar, Mel«, er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn, »hatte bloß manchmal den Eindruck.« Er lachte auf und wurde dann wieder mit einem Schlag ernst. »Ihr erinnert euch doch«, sagte er schließlich, holte tief Luft und zitierte mit Pathos: »Geht euren eigenen Weg! Liebt, wen ihr lieben wollt! Habt den Mut, euch zu nehmen, was ihr haben wollt! Das Recht liegt bei demjenigen mit dem stärksten Willen! Wer sich unterordnet, ist selbst schuld! Sobald ihr erst einmal die engen Grenzen, in denen man euch erzogen hat, hinter euch gelassen habt, steht euch die ganze Welt mit all ihren Möglichkeiten offen!«
    Er lachte. »Ich hab unsern guten alten Henry Paige in vivo getestet. Und es hat funktioniert. Ich hab euch alle hierher gekriegt. Ich hab meine engen Grenzen gesprengt, es interessiert mich einen Dreck, ob man etwas ›macht‹ – oder nicht. Ich«, er schlug sich mit der Faust auf die Brust, »ich habe beschlossen, die Sache durchzuziehen!«
    Lag es am Wodka? Er schien völlig durchzudrehen. Doch die Stille kann ich gar nicht beschreiben. Stell dir ein Loch vor, ein großes helles Loch, das war die Stille, die im Zimmer herrschte.
    »Was ist los mit euch?«, fragte Claas noch einmal, »was seid ihr denn so wortkarg?« Er klatschte in die Hände. »Kommt, seht das doch mal ein bisschen sportlich, ihr seid doch Sportler, Tammy und Julian wenigstens.«
    Keiner von uns begriff in diesem Moment, worauf er hinauswollte. Erst als er sagte: »Der Magier: Ob Lüge oder Wahrheit – der Magier nutzt alle Möglichkeiten, um sein Ziel zu erreichen. Er kennt kein Gewissen und wandelt auf dem schmalen Grat zwischen schwarzer und weißer Magie …«, begann ich zu ahnen, wer der Magier in diesem Spiel war.
    Was ich fühlte?
    Ich hab mich das so oft im Nachhinein gefragt. Fassungslosigkeit? Wut? Hass? Erleichterung war es jedenfalls nicht.
    »Kommt schon, was ist los, ich hätte doch ein bisschen mehr Erleichterung erwartet!« Claas goss sich Wodka nach und wanderte mit großen Schritten durchs Wohnzimmer, als gehöre ihm die Villa, nur ihm allein. »Wisst ihr, ich finde, es ist gut, einmal im Leben einer
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