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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird
Autoren: Manuela Martini
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amüsierte sich sichtlich als Showmaster in diesem perfiden Spiel. Er war aufgestanden und sah auf uns herab.
    »Okay, okay, ich hab euch nicht die Wahrheit gesagt, mit dem Akku«, räumte er dann ein. »Das Video war drauf.«
    »Aber warum hast du das getan?« Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Ich begriff nicht.
    »Warum?«, äffte er mich nach. »Warum?« Er schüttelte den Kopf, als ob das die sinnloseste Frage wäre, die er seit Langem gehört hatte.
    »Warum? Das hab ich euch gerade erklärt. Hast du es noch nicht kapiert? Ich wollte euch zur Erkenntnis bringen!« Sein Gesicht glühte und seine Augen glänzten wie im Fieberwahn. »Erkenntnis, Erleuchtung!«, rief er. »Du wolltest dich an uns rächen«, sagte Tammy eisig.
    Übertrieben runzelte er die Stirn. »Was wollte ich?«
    »Natürlich«, sagte Tammy, »weil du bei mir nicht landen konntest. Denkst du, ich hab nicht gemerkt, dass du wie ein Speichellecker um mich rumgekrochen bist? Hast du echt geglaubt, ich stehe auf solche Typen wie dich?«
    Endlich war Claas sprachlos. Tammy hatte mit ihrer Bemerkung ins Schwarze getroffen.
    »Du hast uns total abgefuckt!« Tammy spuckte die Worte Claas vor die Füße.
    »Du hast uns erpresst.«
    Claas lachte. »Tausend Euro! Das ist doch keine Summe für dich, Julian! So viel kostet doch gerade mal die Anlage in deinem schicken BMW!«
    »Du dreckiges Schwein!«
    »Ach komm, Julian, ein bisschen Sportlichkeit, ja?«
    Julian baute sich vor ihm auf. »Sportlichkeit? Die kannst du haben, Claas.«
    Wer von uns anfing? Es war Julian. Er machte einen Schritt auf Claas zu, riss ihn am Hemdkragen und schob ihn dann rückwärts hinaus auf die Terrasse. Tammy und ich folgten und kamen am Rand des Pools zum Stehen. Wir drei wie eine Mauer vor Claas, dessen Fersen bereits über die Kante ragten. Er wurde nur noch von Julians Griff gehalten.
    Sekunden vergingen so. Julian bebte vor Zorn, während Claas sich nur weiter über ihn lustig machte. »Na los«, rief Claas herausfordernd, »mach schon! Du bist so feige! Du bist in deine Schwester verknallt, mehr noch, du willst sie ficken und du verleugnest es! Du erbärmlicher Wurm!«
    »Halt die Schnauze, Claas!«, rief Tammy.
    »Tammy, du bist niemandem würdig!«, rief Claas. »Du sollst dich an dir selbst sattsehen!«
    Julian hob ihn ein Stückchen höher, wenn er ihn losließe, würde Claas ins Wasser fallen.
    »Halt dein perverses Maul, Claas!«, knurrte er.
    »Claas! Hör endlich auf!«, schrie ich. Julian knirschte mit den Zähnen und ich wusste, gleich würde er die Kontrolle verlieren.
    Doch Claas lachte nur. »Ach, die strebsame Mel, immer so brav, denkst du an deine Noten und daran, immer das Richtige zu machen! Und an Julian, der sich einen Scheiß für dich interessiert! Melody Krimmel, du glaubst ja gar nicht, wie nichtssagend du bist! Eine kleine, langweilige Streberin!«
    Ich glaube, ich war es, die ihm eine zweite Ohrfeige an diesem Abend gab. Ja, daran glaube ich mich zu erinnern, auch wenn Julian behauptete, er habe ihm einen Kinnhaken verpasst und zu Boden geworfen. Auf die Terrakottafliesen. Julian zog ihn am Hemdkragen hoch, um ihm noch eine zu verpassen, doch Claas riss sich los, rutschte auf den moosigen Fliesen aus, landete mit dem Kopf an der Pool-Kante und klatschte ins Wasser, in die algengrüne Brühe. Wir standen am Rand und wollten ihn strampeln und rudern sehen und fluchen hören. Vielleicht hätten wir ihn dann rausgezogen und noch weiter auf ihn eingeprügelt, bis ihm sein blödes Grinsen endgültig vergangen wäre.
    Manchmal stelle ich mir auch vor, wir wären alle ins Wasser gesprungen und hätten ihn so lange untergetaucht, dass er es wenigstens mit der Angst zu tun bekommen hätte.
    Aber die Wahrheit war anders, wieder einmal. Wir sprangen nicht ins Wasser und er strampelte nicht und ruderte nicht und fluchte auch nicht.
    Er trieb einfach im giftgrünen Wasser, mit dem Gesicht nach unten, als betrachte er das Delfinmosaik auf dem Boden.
    Wie lange wir ihm dabei zusahen, wie lange es brauchte, bis einer begriff, was passiert war? Keine Ahnung. Jedenfalls war es Tammy, die zuerst reagierte und uns zuschrie, ihn rauszuziehen. »Mensch, dieser Idiot ertrinkt uns noch!«
    Wir wateten über die Treppe ins Wasser und bekamen seinen Körper zu fassen.
    Sein Körper fühlte sich merkwürdig an.
    Hast du mal ein Tier einschläfern lassen und es im Arm gehalten, als der Tierarzt ihm die Spritze gab? Es wird plötzlich ganz schwer und schlaff. Genauso fühlte
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