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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird
Autoren: Manuela Martini
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Claas sich an.
    Ich hab gesagt, dass ich ehrlich bin, und deshalb sage ich jetzt: Das hat er jetzt davon. Immer wieder, noch heute, höre ich diese gemeinen Sätze von ihm und sein widerwärtiges Lachen und sehe, wie er Patrick den Dolch in die Schulter stößt.
    Es dauerte eine Ewigkeit, so kam es mir vor, bis wir ihn herausgezogen hatten und auf die Fliesen vor dem Pool legten.
    Wir warteten.
    Darauf, dass er uns angrinste und etwas Gemeines sagte.
    Aber er lag nur da, mit starren Augen und offenem Mund.
    Ob man ihn jetzt noch hätte retten können?
    Vielleicht, aber keiner von uns versuchte es.

31
    Wir gingen ins Haus, setzten uns auf die Couch, sahen hinaus auf den Pool und auf Claas, der dort lag, und tranken Wodka.
    Der Himmel war grau, hab ich das schon gesagt? Und um sechs war er richtig dunkelgrau. Es fing an zu regnen. Die Tropfen fielen aufs grüne Wasser, erzeugten unzählige Ringe, die ineinanderliefen. Die Tropfen fielen auf die Terrakottafliesen und zersprengten die Ameisenstraßen. Die Tropfen fielen auf das schon feuchte, modrige Laub, es würde noch feuchter und bald zu einer breiigen Masse werden. Und die Tropfen fielen auf Claas, auf seine nassen Jeans und den nassen Pullover, auf seine nassen Haare und sein blasses Gesicht. Wir hätten ihn wenigstens auf den Bauch legen sollen, dachte ich.
    »Die Brille«, sagte Tammy auf einmal. Sie sagte es ganz ruhig, als hätte sie »Mathematik« gesagt. »Er hat die Brille im Pool verloren.«
    Und ich höre mich noch, wie ich sagte: »Es war ein Unfall.«
    Ob ich zu diesem Zeitpunkt bereute, was passiert war und dass wir nicht versucht hatten, ihn zu retten?
    Ich könnte einfach Ja sagen, um dich zu beruhigen. Du wärst dann doch beruhigt, oder? Weil du dir dann vormachen könntest, ich wäre ein normales Mädchen, das mal kurz die Nerven verloren hat. So wäre es doch, oder?
    Bevor Julian die Notrufnummer wählte, einigten wir uns auf eine Version, bei der wir unbedingt, unter allen Umständen, bleiben mussten.
    »Wenn sie uns gegeneinander ausspielen wollen, machen wir nicht mit. Sie bluffen bloß«, schärfte ich Julian und Tammy ein. Eine halbe Stunde nach dem Anruf war der Rettungswagen da. Yannis und ein Kollege, nicht der von damals mit dem Bauerngesicht, ein anderer, langer, schlanker mit einem unfreundlichen Gesicht, kamen ebenfalls und nahmen uns mit hinunter zur Polizeistation nach Les Colonnes.
    Jeder von uns wurde einzeln befragt, aber nicht in der engen Betonzelle, die ich nun schon so gut kenne. Nein, die kommt nur in meinen Träumen vor.
    Wir hatten uns detailgenau eine gemeinsame Version zurechtgelegt: Wir feierten unsere Wiederkehr, tranken Wodka, viel zu viel, unvernünftig viel und gekifft haben wir auch noch, ja, bien sûr, es war natürlich ein Fehler, es ist schrecklich, so schrecklich, mais oui! Claas wollte unbedingt in der grünen Brühe schwimmen. Na, ja, es war ein Spiel, aber sicher wollten wir es ihm ausreden, vraiment! Aber Sie wissen doch, wir hatten einfach zu viel Alkohol intus, n’est ce pas? Und offen gesagt, bekamen wir gar nicht so richtig mit, dass Claas wirklich schwimmen gegangen ist, wohl ausrutschte und in den Pool fiel.
    Jaja, und erst als er so lange nicht kam, fiel es uns auf, Monsieur le Commissaire. Tammy ging zum Becken und sah ihn und dann schrie sie und sprang ins Wasser. So geistesgegenwärtig war sie, mais oui!
    Julian und ich kamen nach.
    Dann haben wir ihn aus dem Wasser gezogen und versucht, ihn wiederzubeleben. Aber er fing nicht mehr an zu atmen. Il était mort!
    Der Arzt stellte als Todesursache Herzstillstand fest.
    Protokolle wurden angefertigt, Claas’ Eltern verständigt.
    Wir wollten weg, natürlich, so schnell wie möglich, aber die Polizei bat uns, noch zu bleiben, bis Claas’ Eltern da wären.
    Und daher mussten wir doch eine Nacht in der Villa verbringen.
    Die Minuten vergingen zäh, wurden zu Stunden und dann zu einer Ewigkeit. Keiner von uns konnte in einem der Zimmer vom letzten Sommer schlafen und so blieben wir im Wohnzimmer. Die beiden legten sich auf die Couch, Julian legte nur die Beine hoch, Tammy bettete ihren Kopf auf seinen Schoß und ich schob mir zwei Sessel zusammen. Zuerst ließen wir die Hirschgeweihlampe über dem Esstisch brennen. Aber irgendwann stand Julian auf und schaltete sie aus. Wir starrten in die Dunkelheit.
    Kennst du das? Eigentlich ist es zu dunkel, um etwas zu sehen, aber es erscheint dennoch ganz deutlich vor euren Augen?
    Die Geister kamen. Erst Patrick
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