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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird
Autoren: Manuela Martini
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sollte, dass endlich jemand kam oder wenigstens eine Nachricht eintraf, damit wir die Sache hinter uns bekamen.
    Julian hantierte in der Küche, und erst als er ein langes Steakmesser aus der Schublade zog, gleich darauf noch drei weitere und er die Klingen auf ihre Schärfe hin überprüfte, ahnte ich etwas.
    »Die willst du doch nicht etwa …«, ich zeigte auf die Messer, »... benutzen?«
    »Was denkst du denn? Dass ich ein Mörder bin?« Die Art, wie er lachte, machte mir Angst. »Ich hab ihm schließlich nicht den Dolch in die Brust gerammt«, fügte er hinzu.
    »Das spielt doch jetzt keine Rolle«, sagte ich, auch wenn ich genau das Gegenteil empfand: Ja, so war es – ohne Claas’ Angriff wäre es vielleicht nie so weit gekommen.
    Claas beobachtete uns. »Ach, so denkst du in Wahrheit darüber!«
    »Julian hat es nicht so gemeint«, versuchte ich zu beschwichtigen.
    »Mel«, sagte Julian, den Blick nicht auf mich – sondern auf Claas gerichtet, »du musst mich nicht in Schutz nehmen. Claas weiß, dass ich es genauso gemeint habe.«
    »Wir waren uns doch einig, Julian«, sagte Claas mit einem unsicheren Grinsen, »wir haben es zusammen getan.«
    Niemand widersprach, aber Julians Anklage stand trotzdem groß und bedrohlich im Raum. Und ich spürte, dass es nur einen Funken brauchte, um die geladene Atmosphäre zum Explodieren zu bringen.
    Irgendwann stand Julian auf und holte die Packung Red Bull und den Wodka aus dem Kofferraum. Wir fanden, dass ein bisschen Aufputschen genau das richtige war für das, was uns womöglich erwartete.
    »Ich stelle mir dauernd Henry Paige vor.« Tammy stand an der Terrassentür und sah hinaus. »Ein alter Freak, du weißt doch, Julian«, sie drehte sich zu ihm um, »so einer, wie sie in Bangkok rumlaufen, Aussteiger. Der muss doch mindestens fünfundsiebzig sein.«
    »Henry Paige ist mausetot«, meinte Claas.
    Julian hatte sein Handy draußen auf einem Stuhl an der Ecke des Pools deponiert, denn dort gab es Empfang. Wir würden es hören.
    »Wir müssen abwarten«, sagte Julian schulterzuckend, »oder hat jemand einen besseren Vorschlag?«
    »Er wird sich schon melden.« Claas rauchte und sah den aufsteigenden Ringen nach.
    »Warum hat er uns nicht gleich in die Höhle bestellt?«, grübelte ich.
    »Weil unser Erpresser wahrscheinlich genauso wenig daran interessiert ist, dass ihn die Polizei entdeckt, wie wir – der will einfach nur sein Geld und keinen Ärger«, meinte Claas und es klang logisch.
    »Ob er wirklich immer noch so versteckt in der Felsspalte liegt?«, fragte Tammy auf einmal.
    »Daran muss ich auch schon die ganze Zeit denken«, gab ich zu. »Am liebsten würde ich hin und nachsehen.«
    »Und wenn uns jemand dabei beobachtet?«, fuhr Julian auf und goss sich Wodka nach. »Der Täter kehrt immer an den Tatort zurück, heißt es doch.«
    »Wir sind ja schon da«, bemerkte ich, »hier, in der Villa.«
    Niemand erwiderte etwas darauf.
    Wie sehr hatte sich alles verändert. Und ich meine damit auch unsere Gefühle.
    Wir konnten uns nicht in die Augen sehen. Jedes Mal, wenn mein Blick den von Julian oder Claas traf, wichen sie ihm aus. Und als ich plötzlich einmal aufblickte, entging mir nicht, dass Julian hastig den Kopf abwendete.
    Jetzt erschien mir die Szene im Pool mit ihm bloß noch wie eine kitschige, romantische Fantasie.
    Und auch zwischen Julian und Tammy war diese Mauer. Kein einziges Mal mehr legte er seinen Arm um sie, die unbeschwerte Vertrautheit zwischen den beiden war weg. So wie Julian mich ansah, bevor er den Blick abwandte, war ich sicher, dass er mir die Schuld daran gab.
    Und es war doch auch meine Schuld. Ich habe es ihm und Tammy auf den Kopf hin zu gesagt. Nur, weil ich eifersüchtig gewesen war.
    Ich konnte mir nicht mehr erklären, wieso ich so sehr von ihm fasziniert gewesen war. Wenn ich Julian ansah, empfand ich nichts mehr. Kein Verlangen nach Nähe, keine Besessenheit löste sein Aussehen in mir aus.
    Ich hoffte wirklich, ich würde nur noch die Sache hinter mich bringen, damit ich endlich alles vergessen könnte.
    Was natürlich vollkommen naiv war.
    Die Zeit schleppte sich dahin, während wir bald bei jedem noch so leisen Geräusch erschraken. Bei einem Auto, das die Straße heraufkam, beim plötzlichen Gluckern der Wasserleitung, beim Anspringen des Kühlschranks.

30
    Julian ging in der Küche auf und ab und prüfte zum wiederholten Mal die Küchenmesser.
    Tammys Blick folgte einer Ameise, die im Zickzack über den Boden
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