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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird
Autoren: Manuela Martini
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lief.
    Wir rauchten, tranken Red Bull mit Wodka. Nicht nur ich wurde immer nervöser und wütender, weil uns der Typ so lange hinhielt.
    Aus zehn Minuten wurden fünfzehn, dann zwanzig. Ich musste aufhören, auf meine Armbanduhr zu starren.
    Mitten in die Stille hinein fragte uns Claas: »Habt ihr eigentlich schon mal überlegt, ob es einer von uns sein könnte?«
    Er schaffte es, uns allen die Sprache zu verschlagen, was er offensichtlich genoss.
    »Du verdächtigst einen von uns?« Julian, der ihm gegenübersaß, fand zuerst die Worte wieder. Wir drei starrten Claas an.
    »Habt ihr euch das nie gefragt?«, redete er weiter und spielte mit der Dose in seiner Hand. »Kommt, seid doch mal ehrlich! Ich wette, jeder von euch hat sich das schon überlegt. Ist doch ganz normal.« Er wollte gerade wieder sein überhebliches Grinsen aufsetzen, als Tammy ganz plötzlich aufsprang und ihm eine klebte. Klatsch – mitten ins Gesicht.
    Er war perplex. Nicht nur er. Sein Grinsen blieb ihm im Gesicht hängen und auf seiner Wange wurde der Abdruck von Tammys Hand erst weiß, dann rot.
    »Hey, spinnst du?!«, brachte er dann doch heraus und tastete nach seiner Brille, die Tammys Angriff überstanden hatte.
    Am liebsten hätte ich Tammy gratuliert. Auch weil sie nun sagte: »Du bist so ein mieses Arschloch, Claas!« Hastig verließ sie das Wohnzimmer.
    Claas hielt sich immer noch die Wange, aber er grinste schon wieder. »Ich mag leidenschaftliche Frauen, du doch auch Julian, oder?«
    Mit einem Satz war Julian auf den Füßen, riss Claas vom Sofa hoch und verpasste ihm einen Schlag in den Magen und setzte mit einem Haken ins Gesicht nach. Claas schrie auf, schnappte nach Luft, krümmte sich und sank stöhnend vor Julian auf die Knie. Seine Nase blutete. Doch Julian holte bereits zum nächsten Schlag aus.
    Ich war vor Schreck erstarrt und plötzlich hatte ich wieder die Höhle vor Augen, wie wir Patrick Brissart zu Tode prügelten. Nicht noch einmal!, hämmerte es in meinem Kopf, nicht noch einmal! Ich warf mich auf Julian und hielt seinen Arm fest. »Hör auf damit! Julian! Aufhören!«
    Er schubste mich mit einer Bewegung von sich, sodass ich aufs Sofa geschleudert wurde, packte den am Boden liegenden Claas am Kragen, zog ihn zu sich heran und zischte ihm ins Gesicht: »Ich mach dich fertig, du kleiner Schmarotzer!«
    »Julian, der Held, den die Frauen lieben, was?«, japste Claas. Was war nur in ihn gefahren, warum konnte er es immer noch nicht lassen? Aus seiner Nase lief das Blut, besudelte sein Hemd und spritzte auf die Fliesen.
    »Hört auf!«, schrie ich und griff nach Julians Arm. »Hört endlich auf! Tammy? Tammy!«
    »Julian! Stop it!«, rief sie und Julian ließ tatsächlich von Claas ab, der nun rücklings auf den Steinboden knallte.
    Nein, nicht noch einmal! »Claas!« All das Blut auf seinem Gesicht, sein stoßweiser Atem. »Claas!«
    Als ich aufsah, hatte Julian den Arm um Tammy gelegt, er hielt sie fest, sehr fest – so wie im letzten Sommer, und Tammy drückte ihren Kopf an seine Brust … und weinte. Ich wandte mich ab.
    »Tja, Mel, immer noch keine Chance, was?« Claas wischte sich mit dem Ärmel das Blut vom Gesicht. Es war ein Reflex – ich wollte, dass er endlich sein großes Maul hielt – ich scheuerte ihm eine – und musste wohl seine schon malträtierte Nase getroffen haben, denn er jaulte vor Schmerz.
    Keuchend lag er am Boden und vielleicht hätten wir ihn tatsächlich zu Tode geprügelt, aufgeputscht wie wir waren. Red Bull, Wodka, unsere Anspannung, das Adrenalin, unsere Angst, unsere aufgestauten Emotionen, die Erschöpfung von der langen Reise. Doch da näherte sich Motorengeräusch und erinnerte uns, weshalb wir hier waren, wir erinnerten uns an unseren gemeinsamen Feind und dass wir jetzt alle zusammenhalten mussten.
    »Hey, was ist los?«, ächzte Claas, als Julian ihn wieder auf die Beine zog.
    »Merk dir«, zischte Julian und trat dabei ganz nahe an Claas’ Gesicht heran, »wenn das die Bullen sein sollten, bist du gerade im Suff gestolpert, klar?«
    Selbst in diesem Zustand – seine Nase blutete, seine Augen tränten – konnte Claas sein sarkastisches Grinsen nicht lassen. »Und wenn nicht?«
    Julians Mundwinkel zuckten, da sagte Tammy: »Dann bist du geliefert. Wir drei sagen aus, dass du Patrick Brissart erstochen hast.«
    Wir warteten auf das Geräusch eines abgestellten Motors, auf Türenschlagen, Schritte und das Klingeln an der Tür. Claas verschwand in der Zwischenzeit im Bad, um
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