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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird
Autoren: Manuela Martini
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Fisch, der am Meeresboden Beute oder ein Versteck sucht, durchpflügt er mit kräftigen Arm- und Beinzügen zweimal den Pool. Langsam fühlt er sich besser. Er sieht hinauf. Die beiden Luftmatratzen sind hier unten zu dunklen viereckigen Schatten geworden, während die Sonne wie durch ein Brennglas auf den Pool-Boden scheint. Und still ist es. Nur die Wasserpumpe brummt leise und vertraut. Ruhe erfüllt ihn wieder. Ihm ist danach, da unten zu bleiben. Alles ist so weit weg und kann ihm nichts anhaben.
    Dass mir das alles nichts anhaben kann, das habe ich auch geglaubt, als ich mit Claas bei Julian und Tammy ankam: dass ich mit alldem nichts zu tun habe, dass ich mich zurücklehnen und zuschauen – und einfach meinen Spaß haben kann. Aber alles hat seinen Preis – auch dieser Sommer.
    Als Julian wieder die Wasseroberfläche durchstößt, so male ich es mir aus, ist ihm, als wäre er stundenlang fort gewesen. Vom Meer ist eine leichte Brise aufgekommen, die frische, kühlere Luft heranweht.
    Er schüttelt das nasse Haar, schnickt das Wasser aus seinen Ohren und zieht seinen trainierten Körper mühelos auf den Beckenrand hinauf. Tammy liegt noch immer auf ihrer Luftmatratze.
    »Fühlst du dich manchmal auch irgendwie seltsam. Irgendwie verloren im Universum?«, fängt er an.
    »Was?«, fragt sie teilnahmslos, ohne den Kopf zu heben. Er verzichtet darauf, die Frage zu wiederholen. Er schüttelt noch mal den Kopf und springt auf die Füße. »He, was hältst du von einem Red Bull ohne Wodka zum Wachwerden?«
    Tammy hebt eine Hand und streckt zustimmend den Daumen. Er geht tropfnass zur Veranda, in deren hinterem Teil sich eine Bar befindet, die ihr Vater stets mit einer ordentlichen Auswahl an Whiskey, Tequila, Wodka, Gin, Martini, Campari und Rum bestückte. Nur diesmal hat er – aus ersichtlichen Gründen – keinen Nachschub mitgebracht. Aber es sind immerhin noch Reste da. Julian nimmt zwei große Gläser aus dem Schrank unter der Theke und holt die Red-Bull-Dosen und Eiswürfel aus dem Kühlschrank. Von hier aus sehen der Pool mit den Liegen, den blühenden Büschen, der Steinmauer und dem blauen Strich Meer im Hintergrund aus wie die Werbung in einem Luxushotelprospekt. Genießen Sie die beste Zeit des Jahres, Sie haben es sich verdient. Er öffnet die Dosen und klopft die Eiswürfel aus der Plastikschale. Tammy steigt aus dem Wasser. Wie braun sie ist. Brauner als er. Und wie lang und muskulös ihre Beine sind. Das ist ihm erst dieses Jahr aufgefallen. Er sieht ihr zu, wie sie den Kopf neigt und mit beiden Händen ihr langes blondes Haar auswringt, wie sie es zu einem Zopf dreht und ihn über die Schulter legt. Er beobachtet, wie sie sich auf einer der weißen Liegen ausstreckt, langsam und geschmeidig wie eine Katze. Ihre Figur ist perfekt. Absolut perfekt. Der Gedanke an Gina drängt sich wieder durch seine Gehirnwindungen und versetzt ihm einen dumpfen Schmerz in der Solarplexus-Gegend. Gina ähnelt Tammy ein bisschen, ein ähnliches Lachen, ähnlich sportlich, ihr dunkles Haar erinnerte ihn immer an den schweren Magahonischreibtisch in der Kanzlei seines Großvaters. Und sie hatte immer so gut gerochen. Ach – was soll’s, soll sie doch mit diesem Angeber von der Sporthochschule rumhängen. Nach ein paar Wochenenden, an denen sie ihn von der Tribüne aus beim Schwimmen hat zusehen müssen, würde er ihr sicher bald langweilig.
    Da sieht Tammy zu ihm herüber. Er fängt ihren Blick auf, lächelt flüchtig und widmet sich wieder den Drinks.
    Ob er ihr sagen soll, dass sie ihr Oberteil anziehen soll?
    Nein, was würde sie dann von ihm denken? Sie und Mama schwammen und sonnten sich hier und selbst unten am Strand immer oben ohne. Sie würde es ziemlich seltsam von ihm finden, wenn er plötzlich so … so uncool wäre.
    Entschlossen schnappt er die beiden eiskalten Gläser und schlendert grinsend zu ihr hinüber. »Ich habe die Drinks auf Ihre Zimmerrechnung gesetzt.«
    Sie zieht die fein geschwungenen Augenbrauen hoch und erwidert gespielt verführerisch: »Ach und ich dachte, ich hab all-inclusive gebucht.«
    »Wirklich? Dann erfülle ich Ihnen natürlich gern jeden Wunsch …«
    Er nimmt einen ordentlichen Schluck und legt sich auf die heißen Steinplatten ein wenig abseits der Liegestühle. Dann konzentriert er sich auf die kleinen weißen Wolken, die vom Meer heranziehen wie eine friedliche Herde Schafe.
    Den Nachmittag verbringen sie wegen der Hitze drinnen im Haus. Tammy ist mit dem iPod im Ohr auf
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