Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
des Pools sowie die Terrasse mit der großzügigen Sitzlandschaft aus Korbgeflecht schmücken noch die Reste der gestrigen Party: Leere Gläser, Wodka- und Champagnerflaschen, Red-Bull-Dosen, ein paar Teller mit Essensresten, Wachsstummel abgebrannter Kerzen, in den Oleander- und Hibiskusbüschen hängen Chipstüten. Auf den Stacheln der Kakteen neben der steilen Natursteintreppe, die zur Terrasse führt, sind scharlachrote Papierserviettenfetzen aufgespießt.
    Julian lässt das Wasser aus seiner Hand fließen, als wäre es Sand. »Morgen muss wieder Chlor rein. Die Sonne schleckt das Zeug weg wie Eiscreme. He, wir sollten auch Eis kaufen. Chunky Monkey oder Chocolate Brownie, na?« Er schließt die Augen, schmeckte die Schokolade, die Banane und die Kuchenstückchen auf der Zunge. »Chunky Monkey oder Chocolate Brownie ?«, wiederholt er lauter.
    »Hm?«
    Tammy gibt wieder keine Antwort. Er seufzt. »Okay, also Chunky Monkey und Chocolate Brownie.« Er grinst zufrieden. Es ist wunderbar, sich um nichts Ernsthafteres Gedanken machen zu müssen. Französischlernen zum Beispiel. Abi – was ist das? Gina – wer ist das?
    Tammy gibt ein leises Brummen von sich, als ihre blaue Luftmatratze den Beckenrand berührt. Sie streckt die Fußzehen und stößt sich von den Fliesen ab. Ihre Matratze treibt auf die Mitte des Pools zu, stößt sanft an Julians Matte, worauf Julian sie zurückschubst.
    »Hast du schon mal überlegt, wie es wird, wenn Claas und Mel kommen?«, fragt er. »Ich meine, ich hab mich gerade an den Zustand gewöhnt.«
    Tammys blaue Luftmatratze eckt an seine rote.
    »Ans Chillen.« Er schiebt die Sonnenbrille aufs Haar, das während des Sommers noch heller geworden ist, und blinzelt ins grelle Sonnenlicht. »Man hat überhaupt kein Zeitgefühl mehr. Vielleicht sind wir schon zehn Jahre hier. Oder zwanzig.«
    Tammy gähnt. »Das wär mir aufgefallen.«
    »Vielleicht wär’s gar nicht so schlecht.« Julian lässt die Brille wieder herabgleiten, faltet die Hände auf seinem flachen Bauch, den er selbst in den faulen Ferien trainiert.
    »Was?«, fragt Tammy träge.
    »Einfach hier so zu leben. Nichts tun.«
    »Hm.« Tammy lässt die schlanken, muskulösen Arme rechts und links neben der Matratze ins Wasser hängen.
    »Man bräuchte ja nur ein bisschen Geld fürs Überleben. Essen und so. Sprit für ein Auto«, träumt Julian weiter.
    Der winzige Vogel auf der Zypresse stimmt wieder seinen Klopfgesang an.
    »Wir könnten die Gegend erkunden«, fährt Julian fort, »wenn wir mal rauswollten. Weißt du noch, letztes Jahr wollten wir die lange Radtour machen, aber dann kam dieser ätzende Regen.«
    Tammy dreht sich auf den Rücken. Ihr langes Haar wogt auf dem Wasser, er denkt: Wie ein Teppich aus goldenen Algen – und sagt: »Wir würden unser Zelt mitnehmen und Kochgeschirr. In der Speisekammer muss noch die alte Box mit dem Campingzeug sein. Mit diesen roten Emaille-Tassen.«
    »Die man gar nicht anfassen kann, wenn was Heißes drin ist«, sagt Tammy und ihre Lippen kräuseln sich zu einem Lächeln.
    Julian lacht leise. »Ja. Und dieser wacklige Campingkocher …«
    »… bei dem Mama immer panische Angst hat, dass er explodiert.« Mit niemandem kann er so lachen wie mit Tammy. Gleichzeitig. Mit denselben Bildern und Sätzen im Kopf.
    »Wir müssen sie mal anrufen«, meint Julian jetzt. »Fragen, wie es ihr geht. Kannst du dir vorstellen, mit so einem Metallknie rumzulaufen?«
    »Will ich mir nicht vorstellen« Tammy bleibt mit geschlossenen Augen liegen.
    »In Japan haben sie Anzüge mit solchen Gelenken. Du ziehst einfach diesen Roboteranzug an und kannst wieder laufen. Oder kannst schweres Zeug schleppen. Einfach so. Cool.« Er hebt den Kopf. »Diesmal rufst du aber an.«
    »Ich würde vor Langeweile sterben, wenn wir immer hierblieben«, sagt Tammy und gähnt.
    Das Haar seiner Schwester umspielt seine im Wasser ruhende Hand wie zarter Tang. Trotz des etwas kühleren Wassers – er hat am Morgen frisches hinzulaufen lassen – schwitzt er. Die Mittagshitze ist inzwischen so heftig, dass sie das Harz in den Pinienstämmen und -zapfen aus den feinsten Rissen und Astlöchern presst und der würzige Duft die Luft erfüllt.
    Auf einmal erfasst Julian eine Unruhe, die er sich nicht erklären kann. Sein Herz klopft unregelmäßig und viel zu heftig. Er zieht seine Hand aus Tammys Haar zurück und gleitet von der Matratze ins Wasser. Dann holt er tief Luft und lässt sich auf den blauen Mosaikboden sinken. Wie ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher