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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
Autoren: Tom Holt
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Wir haben einen solchen goldenen Mittelweg gefunden, und wir können Ihr Geld schon morgen dorthin transferieren, wenn Sie uns darum bitten. Gegen ein entsprechendes Honorar natürlich.« Der Seniorpartner kicherte in sich hinein. »O ja.«
    »Moment mal«, ergriff der Mandant argwöhnisch das Wort. »Sie meinen damit, Sie können Geld wirklich durch die Zeit hindurch zurückschicken? Sozusagen im nachhinein investieren oder so etwas?«
    »Nein, nein, lange nicht so kompliziert«, winkte der Seniorpartner ab. »Lassen Sie es mich so ausdrücken« er beugte sich vor und lächelte freundlich –,
    »ich nehme an, Sie wissen, was man unter Terminge-schäften versteht. Wir datieren sie in die Vergangenheit zurück.«
    »In die Vergangenheit? Ich verstehe«, log der Mandant.
    »Weil wir mit der – sagen wir mal – obersten In-stanz eine einzigartige Vereinbarung haben, steht uns der Zugang zu Zeitreisen offen. Wir können Ihr Geld nehmen und damit in der Zeit zurückreisen, es in Ihrem Namen investieren und alles so arrangieren, daß Ihnen die Einkünfte in jedweder Form zukommen –
    und zu jeder Zeit, die Sie wünschen. Wir bieten eine Rendite von siebenunddreißig Prozent.«
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    Der Mandant pfiff durch die Zähne. »Nicht schlecht«, staunte er.
    »Wir könnten Ihnen sogar noch bessere Bedingungen anbieten«, bemerkte der Seniorpartner leichthin. »Sehr viel bessere sogar. Aber« – er beugte sich noch weiter vor – »wir haben uns diesen speziellen Ort wegen seiner einmaligen steuerlichen Vorteile ausgewählt. Die Einlage und der Gewinn sind hundertprozentig steuerfrei.«
    Daraufhin herrschte zunächst einmal Stille – totale Stille, die durch Ehrfurcht und Staunen hervorgerufen worden war. Ein wenig war es wohl so wie bei Sir Galahads Entdeckung des Heiligen Grals, nur daß es Galahad, verglichen mit dem Seniorpartner, an dem notwendigen Ernst gemangelt hatte.
    »Steuerfrei?« wiederholte der Mandant schließlich.
    »Absolut«, bestätigte der Seniorpartner. »Sie müssen wissen, daß derlei von uns getätigte Investitionen karitativen Status genießen.«
    Der Mandant blickte ihn verdutzt an. »Sie meinen, Sie haben dort Zugriff auf eine Art wohltätige Stiftung, die Ihnen Geld gibt?«
    »Keine wohltätige Stiftung«, widersprach der Seniorpartner gelassen. »Dennoch genießen Investitionen dort einen solchen Status. Wir investieren das Vermögen all unserer Mandanten in das zwölfte Jahrhundert nach Christus, und zwar über die Tempelritter, um damit den dritten Kreuzzug zu finanzieren.«
    Nach langem Schweigen sagte der Mandant: »Ich 26
    dachte immer, der dritte Kreuzzug war eher ein Krieg.«
    »Genaugenommen, ja«, entgegnete der Seniorpartner.
    »Andererseits handelte es sich um einen sehr speziellen Krieg, von wegen gottgewollt und diesem ganzen Unsinn. Als solcher eignete er sich zur Verbreitung des christlichen Glaubens, was ja, wie Sie wissen, bereits als Wohltätigkeit galt. Wenigstens wurde das damals von allen so gesehen«, fügte er grinsend hinzu. »Und letztendlich zählt nur das.«
    »Einen Augenblick mal«, sagte der Mandant. »Ich dachte immer, der dritte Kreuzzug war eine riesige Pleite.«
    »Da haben Sie allerdings recht«, stimmte ihm der Seniorpartner zu, und man konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß nun etwas Trauer in seiner Stimme mitschwang. »Da haben Sie wirklich recht, eine totale Katastrophe sogar. Ein einziges Chaos.
    Der letzte Mist. Die Kreuzritteranführer Richard Lö-
    wenherz, Philipp der Zweite von Frankreich und Kaiser Friedrich der Erste hatten sich bereits kräftig in der Wolle gehabt, bevor sie überhaupt den Nahen Osten erreicht hatten. Ihre Heere wurden geschlagen, und die Folge war ein hoher territorialer Reinverlust im Heiligen Land, der den islamischen Streitkräften zugute kam. Dabei gingen natürlich auch die meisten Investoren gleich mit drauf. Deshalb ist es nur allzu verständlich, daß wir das Vermögen unserer Mandanten immer auf dem absoluten Höhepunkt des 27
    Kreuzzugsfiebers zurückziehen, elfhundertneunundachtzig nämlich, und es dann stets elfhundertsechs-undachtzig reinvestieren. Und so weiter. Bis in alle Ewigkeit.«
    »Ich verstehe. Das klingt wirklich sehr … sehr gerissen.«
    Der Seniorpartner strahlte glücklich übers ganze Gesicht. »Wenn Sie so etwas sagen, kann man uns kein größeres Kompliment mehr machen.«
    So kam es, daß eine große Geldsumme den Besitzer wechselte und dem bereits erlesenen Kunden-stamm der Beaumont Street 32a
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