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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
Autoren: Tom Holt
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dürfen.
    Stephen Ogilvy der Dritte (soweit sich alle erinnern konnten, war das Amt des Obmanns in der Ogilvy-Familie weitervererbt worden) klopfte mit dem Griff eines Messers energisch auf den Tisch und wurde dafür mit dem üblichen Schweigen belohnt.
    »Also gut«, sagte er, wie es bereits vor ihm sein Vater und dessen Vater gesagt hatten, »sind die Anwesenden zu einem Urteil gekommen?«
    Elfhundertneunundneunzig Stimmen antworteten ihm, und läuteten somit die Essenszeit ein. Am hinte-452
    ren Tischende verkündete die Gerichtshebamme, daß soeben ein Neugeschworenes geboren worden und in die Liste eingetragen sei.
    Unterdessen lagen die Galeazzo-Brüder in einer Kellerzelle regungslos auf ihren Pritschen und dachten verbittert über die Tatsache nach, daß sie längst ihre Zeit abgesessen hätten und bereits seit zweiund-siebzig Jahren freie Menschen gewesen wären, wenn man sie von vornherein für schuldig befunden hätte.
    Doch hatte jemand gleich zu Beginn des Prozesses geäußert, daß bei einer Anklage wegen unrechtmäßigen Herummanipulierens am Zeitgefüge die Interes-sen der Justiz nur dann gewahrt werden könnten, wenn sichergestellt werde, daß die Nichtverhängung einer Strafe wirklich der Schwere des Verbrechens entspräche.
    »So, das war’s«, seufzte Blondel erleichtert.
    König Richard lächelte ihn an und bürstete sich Konfetti aus den Haaren. »Jedenfalls bist du sie jetzt los, mein Sohn.«
    Blondel nickte. »Das war aber auch ein hartes Stück Arbeit. Haben Sie sich schon entschieden?«
    »Wozu?«
    »Was Sie als nächstes vorhaben.«
    »Ich denke, ja«, antwortete der König. Er setzte sich an einen der Tische und beobachtete, wie die Hochzeitslimousine auf dem Kopfsteinpflaster der Dorfstraße holpernd davonfuhr. »Ich habe in der Zeitung eine Anzeige entdeckt, in der eine kleine Tier-453
    handlung in Poitiers zum Verkauf angeboten wird, und mich schon darauf gemeldet. Allmählich halte ich es nämlich für angebracht, mich irgendwo nie-derzulassen und Ratten zu züchten.« Er blickte in seine Brusttasche, gab einen gurrenden Laut von sich und fügte hinzu: »Findest du nicht auch, George?«
    Zwei kleine braune Augen erwiderten seinen Blick.
    »Kann man denn mit Ratten Geld machen?« erkundigte sich Blondel neugierig.
    »Nein, aber was soll’s?« antwortete der König.
    »Das ist wohl wahr«, pflichtete Blondel ihm bei.
    »Auf alle Fälle haben wir diese Feier überstanden, und ich kann mir endlich diesen dämlichen Kragen aufknöpfen.« Er lächelte, setzte sich auf die Tisch-kante und öffnete den Kragen.
    König Richard schenkte sich den restlichen Champagner ein und fragte: »Und was ist mit dir, mein Sohn?
    Hast du schon irgendwelche Pläne?«
    Blondel schüttelte den Kopf. »Mit dem Leben verhält es sich nun mal so, daß es …«
    »Ja?«
    »… na ja, daß es eben eine furchtbare Menge davon gibt, und das letzte, was ich will, ist, zeit meines Lebens daran beteiligt zu sein. Ich meine, warum sollte man nicht schon zu Lebzeiten mit normalen Lebensgewohnheiten brechen können?«
    Richard seufzte. »Ich glaube nicht, daß du von dir behaupten kannst, nie daran beteiligt gewesen zu sein, Jack. Im Gegenteil, mehr als alle anderen sogar.«
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    »Sicher, aber das ist ja nun aus und vorbei.
    Schließlich ist alles, was ich an der Weltgeschichte verpfuscht habe, gestrichen worden, und zwar ratze-kahl. Und das heißt, ich bin ein – wie nennt man das doch gleich? – ein Anathema. Doch bleibt es auch dabei, solange ich noch hier bin? Ich bin mir da nicht sicher.«
    »Wie kommst du darauf?« fragte Richard.
    Unter der Zeltplane, die fast über den ganzen Dorfplatz gespannt worden war, übergab sich im Schatten eines krummen Maulbeerbaums ein kleines Kind, das die Aufregung offenbar nicht verkraftet hatte.
    Blondel lag nun mit dem Rücken auf dem Tisch und musterte seine Fingernägel. »Denken Sie doch mal drüber nach, Richard. Sie waren nur das Opfer.
    Ich bin derjenige gewesen, der das ganze Chaos erst verursacht hat. Ich bin es gewesen, der überall um-hergezogen ist und L’Amours Dont … L’Amours …
    Dingsbums die ganze Zeit gesungen hat.«
    » L’Amours Dont Sui Epris«, half ihm Richard.
    »Genau, so heißt das Ding. Ich habe sogar schon vergessen wie es geht, dieses L’Amours Dont … ach, ist auch egal, wie das Lied heißt, denn gemocht habe ich es sowieso nie sonderlich.«
    »Im Ernst?«
    »Ja. Dieser Teil in der dritten Strophe. Dam dam da-dam … Wie geht das noch mal?
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