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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
Autoren: Tom Holt
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Tor stand offen.
    Etwas fiel aus dem Nichts herab und landete zu Richards Füßen. Es war ein kleiner Messingschlüssel 427
    zu einem Sicherheitsschloß, der mit einem zerrisse-nen Gummiband an ein gammeliges Stück Karton geknotet war. Auf den Karton hatte jemand geschrieben: el des Larmes Chaudes, falls Rezeption nicht besetzt ist, Schlüssel in Zimmer 47 abgeben.
    Guy hob den Kopf und orientierte sich.
    Etwa fünfzig Meter hinter ihm lag das ausgebrann-te Wrack seines Flugzeugs. Irgendwie mußte er es geschafft haben, aus diesem Ding herausgekommen zu sein, bevor es in die Luft geflogen war. Ganz schön beeindruckend; eine Schande, daß er nicht die leiseste Ahnung hatte, wie ihm das gelungen war.
    Genausowenig wußte er, wo er sich befand. Vermutlich in Frankreich; was bedeutete, daß seine Schwierigkeiten damit noch lange nicht vorüber waren. Mit Sicherheit wäre es eine gute Idee, irgendwo hinzurennen.
    »M’sieur!«
    Er schaute in die Richtung der Stimme und kam sich ziemlich dämlich vor, als er antwortete: »Was ist denn?«
    »M’sieur!« zischte die Stimme erneut. »Allez! Allez vite!«
    Ah ja, Beeilung! Beeilung schnell! Genau das, was ich mir gerade gedacht habe, Miß. Aber in welche Richtung?
    Die Sprecherin der Stimme trat hinter einem Dic-kicht hervor, und Guy entspannte sich ein wenig; schließlich war es nicht sehr wahrscheinlich, daß die 428
    Deutschen siebzehnjährige französische Mädchen in die SS rekrutierten, so daß es sich vermutlich um ei-ne Einheimische handelte, die ihm freundlich gesinnt war.
    »Hallo, ich glaube … ich glaube, ich habe mir den Schädel gestoßen.«
    Das Mädchen eilte zu ihm herüber, packte ihn am Arm und schleppte ihn hinter das Gebüsch. Sehr zweideutig das Ganze, sagte er sich, aber wahrscheinlich versteckt sie mich gerade nur vor einer deutschen Patrouille. Ah ja, da kommen ja schon die Deutschen. Lieber nicht reden, solange die noch da sind.
    Als die Soldaten verschwunden waren, half ihm das Mädchen erneut auf die Beine – gerade als er sich einigermaßen wohl gefühlt hatte, aber so sind Frauen nun einmal – und schleppte ihn in einen kleinen Wald. Er folgte dem Mädchen und gab sich redlich Mühe, so wenig wie möglich über die eigenen Füße zu stolpern, bis sie zu einer kleinen Hütte ge-langten. Im Fenster brannte Licht. Das Mädchen blieb stehen und warf einen kleinen Stein gegen die Scheibe.
    »He, lassen Sie das, Sie könnten die Scheibe einschlagen.«
    »Tais-toi, idiot!« zischte das Mädchen (natürlich handelte es sich dabei um ein Zischen allererster Gü-
    teklasse, da es im Französischen sehr viel mehr Zischlaute gibt als in den meisten anderen Sprachen).
    Das Licht ging aus, und die Tür wurde geöffnet.
    429
    Wahrscheinlich will uns der Hausbesitzer einen Denkzettel verpassen.
    »Isoud«, flüsterte eine Stimme in der Dunkelheit,
    »c’est toi?«
    »Si. Gerade angekommen.«
    Guy merkte, daß er irgendwie zum Haus ge-schleppt wurde. Plötzlich tauchte ein junger Mann auf und stützte ihn auf der anderen Seite. Hagerer Typ, hellblondes Haar, Schnauzer.
    Dann schloß der Mann die Eingangstür, und das Mädchen zog die Rollos herunter.
    »Etes-vous blesse, m’sieur?« fragte der junge Mann sind Sie verwundet, Sir? Ach so, ich verstehe, ob ich okay bin?
    »Mir geht’s gut«, antwortete Guy. »Ich glaube, ich habe mir nur den Kopf gestoßen und …« Dann fiel er in tiefen Schlaf.
    Als er wieder aufwachte, erfuhr er, daß der Name des Mädchens Isoud und der ihres Bruders Jean lautete und daß beide bei der Resistance waren. Das Mädchen war sehr hübsch und erinnerte ihn an jemanden, aber ihm fiel um alles in der Welt nicht ein, an wen …
    Aus dem Tor ritt ein gewaltiges Heer.
    Darunter befanden sich Ritter, Knappen, Krieger, Landsknechte, Hellebardiere, Kanoniere, Bogen-schützen, Armbrustschützen, Arkebusiere, und irgendwo ganz hinten bildeten Pursuivant, Clarenceaux, Mordaunt und White Herald mit fest ge-430
    schlossenen Augen die Nachhut. Bei jeder militärischen Streitkraft gibt es einen speziellen Truppen-verband, dessen einzige Aufgabe darin besteht, sich im Falle eines Hinterhalts krampfhaft in die Seite zu fassen, überzeugend zu schreien und vom Pferd zu fallen. Das ist zwar ein Scheißjob, aber irgendwer muß ihn ja erledigen. Arme Teufel.
    An der Spitze des Heers ritt eine Gestalt, die in einer pechschwarz glänzenden Rüstung steckte. Wie es der Gestalt überhaupt gelingen konnte, nicht vom Pferd zu fallen, bleibt am besten
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