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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
Autoren: Tom Holt
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ein weiterer Mandant hinzugefügt werden konnte – einem Kunden-stamm, dem bereits solch erlauchte Persönlichkeiten wie die Rothschilds, Ludwig der Vierzehnte, Elvis Presley und (interessanterweise) Julius Cäsar angehörten oder angehört hatten.
    Dennoch ist es eine uralte Lebensweisheit, daß ein wirklich gerissener Anlageberater die besten Investitionsmöglichkeiten seinen Mandanten niemals mitteilt und sie lieber für sich behält. Natürlich bildete die Beaumont Street 32 a diesbezüglich keine Ausnahme.
    Zwar mochte die Beaumont Street 32a ihre Finger in allen möglichen finanziellen Machenschaften stecken haben, mit Leib und Seele engagierte sie sich aber nur in der Musikbranche.
    »So, das wäre endlich geschafft«, seufzte John de Nesle.
    »Mach’s dir gemütlich.«
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    Guy schaute sich in dem Raum um, der sich von allen anderen Büros, die er jemals in einem Rathaus von innen gesehen hatte, erheblich unterschied.
    Die Decke war sehr hoch – Guy mußte den Kopf sogar in den Nacken legen, um sie sehen zu können und aus großen Eichenbalken konstruiert, die offenbar mit Schnitzereien versehen waren, die ihrerseits aber zu weit für ihn entfernt waren, als daß er mit bloßem Auge erkennen konnte, was sie darstellen sollten. An den Wänden hingen Bildteppiche mit prächtigen Farben, auf denen Jagd-, Kriegs- und Lie-besszenen dargestellt wurden, die Guy (obwohl er kein Kunsthistoriker war) dem Spätmittelalter zu-rechnete. Dort, wo noch zwischen den Wandteppi-chen ein paar freie Flächen hindurchlugten, war nacktes gelbes Felsgestein zu sehen.
    Der Boden, auf dem er stand, war mit Steinfliesen gepflastert und mit etwas bestreut, das Guy für Bin-sen hielt. Das Mobiliar war spärlich, aber erlesen; an einem Ende des Raums – das Zimmer war übrigens rund – befand sich ein massiver Tisch mit zwei Bänken auf jeder Seite, und an den Tischenden standen zwei große Stühle mit hohen vergoldeten Rücken-lehnen, auf denen holzgeschnitzte bunte Wappen-schilde angebracht waren.
    Ein brennendes Feuer in der Mitte des Raums spendete ein wenig Licht, und Guy konnte erkennen, daß ihm der Blick auf die geschnitzten Balken durch den Rauch verborgen wurde, der unter der Decke Schwaden zog und durch die relativ kleine und of-29
    fensichtlich falsch konstruierte Öffnung im Dach nach außen zu dringen versuchte. Über den Wand-teppichen hingen etwa fünfzehn bis zwanzig birnen-förmige Schilde, auf denen wappenähnliche Zeichen gemalt waren; die Farben wirkten frisch und hell, und die Zeichnungen zeugten von großer Kunstfer-tigkeit, trotzdem waren die Schilde zerkratzt und leicht lädiert, als wären sie erst kürzlich in irgendwelchen Kämpfen wirklich eingesetzt worden.
    Neben den Schilden befand sich eine ganze Auswahl an Helmen, Rüstungen und riesigen Schwertern, allesamt auf Hochglanz poliert, so daß sie im roten Feuerschein funkelten. Außerdem hingen an den Wänden einige ausgestopfte Hirschköpfe, an deren Geweihe jemand (fast zwangsläufig) Hüte aufgehängt hatte. Doch selbst diese Hüte wirkten abson-derlich; weder ein Homburg noch eine Melone befand sich darunter. Der Feuerschein wurde durch et-wa zwanzig bis dreißig kleine Öllampen aus Ton er-gänzt, die allerdings nach Guys Dafürhalten doppelt soviel Rauch wie Licht entwickelten und zudem äu-
    ßerst unangenehm rochen. Ganz unverblümt gesagt, stank es dort einfach ekelhaft; was dem Eigentümer offenbar auch nicht entgangen war, da er erst kürzlich irgendwelche süßlich riechende Weihrauchstäb-chen angezündet hatte, wodurch nach Guys Meinung allerdings eher das Gegenteil bewirkt worden war.
    Außer de Nesle, ihm selbst und drei großen Hunden, die tief und geräuschvoll vor der Feuerstelle schlie-fen, war niemand im Raum.
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    »Herzlich willkommen in meiner bescheidenen Hütte«, sagte de Nesle. Dann öffnete er den Deckel einer massiven Eichenkiste, die wie eine große Schiffstruhe aussah, und holte einen Krug heraus, der in dem gebrochenen Licht beinahe so wirkte, als wä-
    re er aus purem Gold gefertigt. Den Krug stellte er auf ein ähnlich golden aussehendes Tablett mit zwei goldenen Bechern, schloß den Deckel der Truhe und setzte dann das Tablett darauf ab. Danach nahm er den Krug und füllte ihn mit einer Flüssigkeit aus einem Faß, das in einer dunklen Ecke des Raums auf einem Bock stand. Er drehte den Zapfhahn zu, roch an der Oberfläche des Kruginhalts und schenkte die beiden Becher ein. Die Flüssigkeit, die aus dem Krug kam, war
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