Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn die Nacht dich kuesst...

Wenn die Nacht dich kuesst...

Titel: Wenn die Nacht dich kuesst...
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
Stimme über die Menge hinweg zu ihr drang. »Bravo! Bravo, Julian! Das war ein hervorragender Auftritt. Dürfen wir auf eine Zugabe nach dem Essen hoffen?«
    Der schlanke, elegante Satyr, der immer noch mit lässiger Anmut vor dem Kamin stand, grinste. »Nur, wenn mein Bruder und Gastgeber es verlangt.«
    Carolines Finger erstarrten.
    Langsam hob sie das Taschentuch, aber noch bevor sie den Satyr ihm auf die Schulter klopfen sah, ehe sie eine strahlende Vivienne zu ihm treten und den Platz an seiner Seite einnehmen sah, als gehörte sie dorthin, wusste Caroline schon, was sie in das kostbare Leinen gestickt entdecken würde.
    Ein kunstvoll geschwungenes A neben einem verschnörkelten K .
    »Caroline!«, rief Vivienne. Ein glückliches Lächeln ließ ihr Gesicht aufleuchten, während sie ihre schlanke Hand auf den Arm des Mannes neben sich legte. »Warum versteckst du dich da hinten in der Ecke? Komm her, und lass dich unserem Gastgeber vorstellen.«
    Caroline spürte, wie ihr alles Blut aus dem Gesicht wich, als sie den Blick hob und sah die gleiche Bestürzung, die sie empfand, in den Augen von Adrian Kane, Viscount Trevelyan.

3
    »Hätten Sie gerne etwas Wein, Miss Cabot?«
    Obwohl die Frage völlig unschuldig war, galt das ganz bestimmt nicht für das neckende Funkeln in den Augen ihres Gastgebers. Oder die Art und Weise, wie er das blutrote Getränk in dem bauchigen Kelch schwenkte, ehe er ihn an die Lippen hob.
    Das Glas Rotwein hätte wesentlich besser zu blassen, aristokratischen Fingern gepasst. Seltsamerweise hatte Adrian Kane aber die Hände eines Mannes, der körperliche Arbeit verrichtete — breit, kräftig und stark. Seine Zähne waren gerade und weiß und bar jeder Ecken, die auf Reißzähne hingedeutet hätten. Da sie an dem langen, damastbedeckten Tisch auf dem Ehrenplatz zu seiner Rechten saß, hatte Caroline ausreichend Gelegenheit, sie jedes Mal aus nächster Nähe anzuschauen, wenn er ihr eines seiner rätselhaften Lächeln schenkte.
    Es war schwer sich vorzustellen, dass jemand so närrisch sein könnte zu glauben, dieser Mann ergäbe sich bereitwillig Dunkelheit und Tod. Wenn überhaupt, dann schien er ungewöhnlich lebendig und kraftvoll. Dem Gerücht zum Trotz, dass er das Tageslicht mied, hätte sie schwören können, dass die goldenen Strähnen in seinem Haar von der Sonne gebleicht waren. Sie hatte sogar den völlig absurden Eindruck, dass sie, wenn sie sich vorlehnte, hören konnte, wie sein Herz Blut durch seinen Körper pumpte.
    Ehe Caroline sein Angebot ablehnen konnte, hielt Portia, die ihr gegenüber zu seiner Linken saß, ihr Glas hoch und erklärte: »Aber gewiss, Mylord. Danke. Ich hätte liebend gerne Wein.«
    Caroline betrachtete ihre Schwester von der Seite. Portia schien ihre Angst, Kane könne sich vorbeugen und sie in den Hals beißen, vollkommen vergessen zu haben. Sie war zu sehr damit beschäftigt, eben diesen Hals zu recken und Kanes Bruder mit den Augen zu verschlingen, der neben Vivienne saß. Gleichgültig, was sie von seinem theatralischen Gehabe und seinen Posen beim Gedichtvortrag vorhin auch halten mochte, so musste Caroline doch zugeben, dass es eine Tragödie war, dass Julian Kanes Profil nie auf eine römische Münze geprägt worden war.
    Ihr Gastgeber winkte einen Lakaien von der Anrichte aus Walnussholz zu sich, warnte den Mann aber mit einem kaum merklichen Kopfschütteln, dem jungen Mädchen mehr als einen Schluck Wein einzugießen.
    Tante Marietta war an das untere Ende des Tisches verbannt worden, wo sie einem unglücklich aussehenden Baron mit schriller Stimme ihren letzten Triumph am Spieltisch schilderte. Da er sich schlecht mit seiner Gabel die Handgelenke aufschlitzen konnte, um ihr zu entkommen, blieb dem armen Mann als einziger Ausweg, sich langsam, aber sicher bis zur Bewusstlosigkeit zu betrinken. In der vergangenen halben Stunde war er immer weiter auf seinem Stuhl zusammengesunken. Wenn das Dessert aufgetragen wurde, wäre er vermutlich unter dem Tisch angekommen. Nicht, dass Tante Marietta das auffallen würde. Wahrscheinlich würde sie sich einfach zu der einfältig lächelnden Marquise auf ihrer anderen Seite umdrehen, ohne einmal Luft zu holen.
    Caroline fragte sich, ob ihre Tante absichtlich verbannt worden war. Vielleicht hatte Kane genauso wenig Geduld wie sie selbst mit Tantes unablässigem Geschwätz. Nach dem Unsinn, den sie ihm selbst vorhin im Empfangssalon erzählt hatte, musste er sie allerdings für doppelt so beschränkt wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher