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Wenn die Nacht dich kuesst...

Wenn die Nacht dich kuesst...

Titel: Wenn die Nacht dich kuesst...
Autoren: Teresa Medeiros
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Stirn, die einmal gebrochene Nase und die Furche an seinem kantigen Kinn. Für ein so raues Gesicht hatte er allerdings einen seltsam fein gezeichneten, ausdrucksvollen Mund. »Und was für eine Art Wesen sollte das sein?«
    Es passte eigentlich nicht zu ihr, so deftigen Klatsch einem völlig Fremden zu erzählen, aber er hatte etwas an sich, sein direkter Blick vielleicht, das dazu einlud, sich ihm anzuvertrauen.
    Sie lehnte sich vor und flüsterte hinter vorgehaltener Hand: »Wissen Sie das etwa nicht? Unserem Gastgeber sagt man nach, ein Vampir zu sein. Sicherlich haben Sie doch auch schon Gerüchte über den geheimnisvollen und gefährlichen Adrian Kane gehört. Dass er erst nach Sonnenuntergang sein Bett verlässt. Dass er nachts die Straßen und Gassen der Stadt durchstreift und nach Opfern sucht. Dass er unschuldige Frauen in seine Lasterhöhle lockt, sie dort mit seinen dunklen Künsten verführt und willenlos macht.«
    Es war ihr gelungen, ein belustigtes Funkeln in seinen Augen zu entfachen. »Hört sich nach einem reichlich hinterhältigen Schuft an. Was hat Sie dann dazu bewegen können, sich in einer dunklen Nacht in seine Höhle zu wagen? Ist Ihnen Ihre Unschuld nicht wichtig?«
    Caroline zuckte lässig die Achseln. »Wie Sie sehen können, stellt er keine Bedrohung für mich dar. Ich bin romantisch brütenden, Byron zitierenden jungen Herren gegenüber völlig unempfänglich, die zudem unangemessen lange Zeit vor dem Spiegel verbringen, wo sie ihre Posen einstudieren und ihre Stirnlocken kämmen.«
    Er musterte sie eindringlich. »Ich muss gestehen, dass Sie meine Neugier geweckt haben. Was für eine Sorte Gentleman könnte Ihnen denn gefährlich werden? Welche dunklen Kräfte muss ein Mann besitzen, um eine so besonnene junge Dame wie Sie zu verführen? Wenn ein hübsches Gesicht und eine gewandte Zunge Sie nicht ohnmächtig in die Arme eines Herrn sinken lassen, was dann?«
    Caroline blickte zu ihm auf, und ein Reigen unmöglicher Bilder wirbelte ihr durch den Kopf. Was, wenn dies ihre statt Viviennes Saison wäre? Was, wenn sie träumerische neunzehn wäre statt vernünftige vierundzwanzig? Was, wenn es nicht zu spät wäre zu glauben, dass ein Mann wie er sie in den mondlichtdurchfluteten Garten zu locken versuchte, um einen Moment lang ungestört mit ihr zusammen zu sein — oder vielleicht sogar einen Kuss zu stehlen? Von einer Welle der Sehnsucht überwältigt, riss Caroline ihren Blick von seinem herrlichen Mund los. Sie war eine erwachsene Frau. Sie konnte es sich kaum leisten, den närrischen Phantasien eines jungen Mädchens nachzuhängen.
    Sie neigte den Kopf und lächelte, beschloss, dass es am klügsten sei, seine Worte als den Scherz zu betrachten, als der sie zweifellos gemeint waren. »Sie sollten sich schämen, Sir. Wenn ich Ihnen so etwas verriete, dann wäre ich Ihrer Gnade hilflos ausgeliefert, nicht wahr?«
    »Vielleicht sind es aber Sie «, murmelte er und beugte sich zu ihr herab, seine Stimme so tief und rauchig wie ein verbotener Schluck schottischen Whiskys, »deren Gnade ich ausgeliefert wäre.«
    Mit einem Ruck hob Caroline den Kopf und sah fasziniert in seine Augen, in denen sie völlig unerwartet ein sehnsüchtiges Verlangen wahrnahm. Es schien eine atemlose Ewigkeit zu vergehen, ehe sie begriff, dass der Vortrag geendet hatte und die anderen Anwesenden im Salon in begeisterten Applaus ausgebrochen waren.
    Der Mann neben ihr stieß sich von der Wand ab und richtete sich zu seiner vollen Höhe auf. »Wenn Sie mich nun entschuldigen, Miss ... ich fürchte, die Pflicht ist eine harte und mitleidlose Herrin.«
    Er kehrte ihr schon den Rücken zu, als sie ihm nachrief: »Sir! Sie haben Ihr Taschentuch vergessen! «
    Sie merkte, dass sie das Leinentuch schwenkte wie eine weiße Flagge, als er sich umdrehte und sich sein Mundwinkel zu einem lässigen Lächeln verzog. »Behalten Sie es bitte. Vielleicht finden Sie, ehe der Abend um ist, noch etwas anderes, das einen ähnlichen Heiterkeitsausbruch wie eben bei Ihnen hervorruft.«
    Während sie ihm nachschaute, wie er sich seinen Weg durch die Gäste bahnte, strich sie das Taschentuch über ihrer Hand glatt. Sie musste den albernen Drang bekämpfen, es an ihre Wange zu heben, herauszufinden, ob dem Stoff der männliche Duft von Sandelholz und Lorbeer anhing, den sie eben noch gerochen hatte.
    Mit den Fingerspitzen fuhr sie blindlings die Initialen nach, die in die Ecke des Leinens gestickt waren, als seine tiefe, gebieterische
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