Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenzauber

Drachenzauber

Titel: Drachenzauber
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
ERSTES BUCH

1
    WARDWICK VON HUROG

    Hurog bedeutet Drache.

    Noch ein wenig außer Atem vom Aufstieg, ließ ich mich oben bei den uralten Bronzetoren nieder, die einer meiner Ahnen vor langer Zeit flach in die Wand des höchsten Berges eingesetzt hatte. Die Tore waren riesig, jeder Flügel so breit, wie ich groß war, und doppelt so hoch. Wegen des schrägen Untergrunds lag die Oberseite des einen Tors mehrere Fuß höher.
    Auf jedem Torflügel, abgetragen von all den Jahren des harschen Wetters im Norden, wachte das Relief eines Bronzedrachens über das Tal darunter.
    Unter mir hockte Burg Hurog auf ihrem von Menschen gebauten Horst. Die dunklen Steinmauern erhoben sich schützend um den Bergfried, immer noch mächtig, auch wenn jetzt wohl kaum die Gefahr eines Angriffs bestand. Nach Maßstäben der Fünf Königreiche war Hurog nur ein kleiner Besitz, mehr oder weniger imstande, sich von der mageren Ernte zu ernähren, die das nördliche Klima und der steinige Boden hergaben. Aber vom Seehafen, der im Osten zu erkennen war, bis zu dem Berg mit dem kahlen Gipfel im Westen gehörte das Land Hurog. Wie die meisten Burgen in Shavig, dem nördlichsten Königreich des Hochkönigs in Tallven, verfügte Hurog über mehr Land als Wohlstand. Es war mein Erbe; eines Tages würde es mir zufallen, so, wie ich schon das blonde Haar und die Körpergröße von meinem Vater geerbt hatte.
    In der alten Sprache bedeutete Hurog Drache.
    Einer Eingebung folgend, stand ich auf und öffnete meinen beschädigten Geist, sodass ich spüren konnte, wie sich die Magie um mich sammelte und durch meine Adern rauschte, als ich den Kriegsschrei von Hurog ausstieß.
    Hurog.
    Es würde einmal mir gehören - wenn mein Vater mich nicht vorher umbrachte.

    »Er wird uns umbringen.« Ich hörte die leise Stimme meines Vetters Erdrick von der Flussseite des Weges her.
    Zwischen dem Weg, dem ich folgte, und dem Fluss standen die Weiden so dicht, dass Erdrick mich ebenso wenig sehen konnte wie ich ihn. Ich war versucht weiterzugehen, denn meine Vettern und ich waren nicht gerade Freunde, aber die unangenehme Überzeugung, dass ich dieser ›er‹ war, von dem Erdrick sprach, ließ mich innehalten.
    »Es ist nicht meine Schuld, Erdrick.« Beckram, Erdricks Zwillingsbruder, versuchte, ihn zu beruhigen. »Du hast sie doch gesehen. Sie ist davongerannt wie ein verschrecktes Kaninchen.«
    Die beiden hatten also wieder einmal meine Schwester geärgert. Erdrick mochte recht haben; diesmal würde ich ihn vielleicht tatsächlich umbringen.
    »Das nächste Mal solltest du ein Mädchen, dessen Bruder so groß ist wie ein Ochse, lieber in Ruhe lassen.«
    »Gut, dass sein Hirn zu seinem Körper passt«, stellte Beckram gelassen fest. »Komm, verschwinden wir hier. Sie wird schon wieder auftauchen.«
    »Er wird wissen, dass wir es waren«, prophezeite Erdrick finster wie immer.
    »Wie denn? Sie kann es ihm nicht sagen.«
    Meine Schwester war seit ihrer Geburt stumm.
    »Sie kann auf uns deuten, oder? Ich sage dir doch, er wird uns umbringen!«
    Zeit, sie mir zu schnappen und herauszufinden, was sie getan hatten. Ich holte tief Luft und konzentrierte mich darauf, wie ein dummer Ochse und nicht wie ein rachsüchtiger Bruder auszusehen, bevor ich durch das Gebüsch am Ufer brach, wo der Abwas-serkanal der Burg sich in den Fluss ergoss. Bei meiner Größe und meinem Gesicht erwartete niemand Intelligenz. Das hatte ich immer ausgenutzt. Der dumme Wardwick stellte für Vater keine Gefahr dar.
    Sie mochten zwanzig sein und ich erst neunzehn, aber ich war einen Kopf größer als beide und vierzig Pfund schwerer. Außerdem kam ich von der Jagd, also hing die Armbrust über meiner Schulter, und ein Jagdmesser steckte in meinem Gürtel. Sie waren unbewaffnet. Nicht, dass ich vorgehabt hätte, eine Waffe gegen sie einzusetzen. Das wäre nicht nötig gewesen.
    Meine Hände würden genügen.
    »Wer wird dich umbringen?«, fragte ich und riss mein Hemd von einem Zweig los, an den es hängen geblieben war, als ich durch die Büsche brach.
    Erdrick, stumm vor Schreck, starrte mich nur in wortlosem Entsetzen an. Beckram war aus zäherem Material gemacht. Er verzog das lebhafte Gesicht zu einem liebenswerten Lächeln, als freue er sich, mich zu sehen.
    »Ward! Guten Tag, Vetter. Warst du auf der Jagd?
    Hattest du Erfolg?«
    »Nein«, erwiderte ich.
    Die beiden waren von dem hellen, rötlich braunen Haar über die gut geschnittenen Gesichter und die eher bräunliche Haut bis hin zu den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher