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Wenn die Mandelblueten bluehen

Wenn die Mandelblueten bluehen

Titel: Wenn die Mandelblueten bluehen
Autoren: Helen Brooks
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glaube, alles in allem war es eine gute Entscheidung."
    Daisy nickte nur, noch immer entsetzt darüber, wie anziehend sie ihn fand.
    "Die Fahrt nach Meran dauert ungefähr zwei Stunden", informierte Slade sie und warf ihr einen flüchtigen Blick zu.
    "Unterwegs möchte ich in einem kleinen Gasthof, den ich gut kenne, Rast machen. Das Essen ist hervorragend und die Atmosphäre sehr angenehm."
    "Mir würde es nichts ausmachen, gleich nach Festina Lente zu fahren, wenn das einfacher ist", erwiderte sie rasch. "Ich habe im Flugzeug etwas gegessen."
    "Da wird doch nur Junkfood serviert", meinte er abfällig.
    "Außerdem habe ich noch nichts gegessen, und mir knurrt der Magen. Das ist eine schöne Redewendung, die man schwer ins Italienische übersetzen kann."
    Er versuchte offensichtlich, sie aus der Reserve zu locken, aber sie verspannte sich nur noch mehr. Bevor sie etwas erwidern konnte, fügte er hinzu: "Ich möchte, dass Francesco solche Ausdrücke lernt. Er spricht, wie Sie bald feststellen werden, sehr gut Englisch, aber ich finde, die Umgangssprache ist wichtiger als Grammatik."
    "Richtig."
    "Warum hat man Sie eigentlich Daisy getauft?" fragte Slade unvermittelt. "Der Name war doch schon vor vierundzwanzig Jahren unüblich."
    Sie wollte mit ihm nicht über ihren Namen oder sonst ein Thema sprechen, das auch nur andeutungsweise persönlicher Natur war, doch es hätte albern gewirkt, nicht zu antworten.
    "Meine Mutter heißt Lily, und mein Vater fand es originell, mir auch einen Blumennamen zu geben. Wie Sie ja wissen, bedeutet Daisy so viel wie Tausendschönchen oder Maßliebchen."
    Ihr hatte der Name nie gefallen, und das hörte man ihr wahrscheinlich an.
    "Meine vier Jahre jüngere Schwester heißt Rose und die sechs Jahre jüngere Violet. Mein Vater ..." Daisy verstummte kurz und sprach dann mühsam gefasst weiter. "Er hat uns früher seinen Blumenstrauß genannt."
    "Früher?" Slade blickte sie kurz an.
    "Ja, er ist vor sechzehn Monaten gestorben." Genau vierundzwanzig Stunden nach dem Tod ihrer zu früh geborenen Tochter.
    "Das tut mir sehr Leid, Daisy." Es klang aufrichtig.
    Sie schluckte und zuckte die Schultern. "So ist das nun mal."
    Aber es ist unfair, fügte sie im Stillen hinzu. Nach der Frühgeburt hatte sie heftige Blutungen und eine Infektion bekommen und deswegen nicht zum Begräbnis ihres Vaters in die USA fliegen können. Und ihre Mutter hatte ihr nicht zur Seite stehen können, als sie sie am meisten gebraucht hätte. Das waren die zwei Tragödien, die ihr, Daisys, Leben noch immer überschatteten.
    Manchmal wachte sie nachts nach einem Albtraum auf und konnte es nicht fassen, dass sie ihren Vater nie mehr sehen würde. Wenn sie bei seinem Begräbnis hätte dabei sein und öffentlich um ihn hätte trauern können, hätte sie seinen Verlust wahrscheinlich eher verwunden. Das hatte jedenfalls ihr Arzt gesagt, doch Ärzte wussten ja auch nicht alles ...
    "Die Strecke nach Meran ist wunderschön. Warum entspannen Sie sich nicht und genießen den Ausblick, Daisy? "
    fragte Slade, während er an einer Ampel hielt.
    "Ich bin entspannt." .
    "Ach ja?" Er sah vielsagend auf ihre Hände.
    Daisy folgte seinem Blick und stellte bestürzt fest, dass sie die Finger so fest verschränkt hatte, dass die Knöchel weiß hervortraten. Das kann ja heiter werden, dachte sie und atmete tief durch. Als erste Redewendung konnte sie Francesco folgende beibringen: Vom Regen in die Traufe kommen.
    Genauso fühlte sie sich.
    Im Lauf der Fahrt entspannte sie sich allmählich. Die Aussicht war tatsächlich atemberaubend. Eindrucksvoll erhoben sich die Berge vor dem blauen Himmel, die schneebedeckten Gipfel glänzten, von goldenem Sonnenlicht überstrahlt.
    Es gibt doch noch Schönes auf der Welt, dachte Daisy gerührt, als sie an einem alten Mann vorbeifuhren, der einen steifbeinigen Esel mit einem großen Strohhut hinter sich herzog.
    In den vergangenen sechzehn Monaten war ihr das Leben wie ein nicht enden wollender Kampf erschienen, für den sie alle geistigen, seelischen und körperlichen Kräfte hatte mobilisieren müssen. Ihre Freunde hatten ihr versichert, sie würde den Aufruhr der Gefühle und den Schmerz überwinden und irgendwann wieder inneren Frieden finden. Manchmal hatte sie ihnen geglaubt. Zu anderen Zeiten hatten Trauer und Bitterkeit sie in schwere Depressionen gestürzt, und sie hatte befürchtet, nie wieder aus diesem Tief herauszukommen.
    Ihre Mutter hatte sie gedrängt, in die USA zu ziehen, doch sie,
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