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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
Autoren: Malte Pieper
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Stoffpinguin, den ich die ganze Zeit fixiert hatte, als Zeichen meiner emotionalen Reife, mich in andere Personen – und seien es Pinguine – hineinversetzen zu können. Als er dies zu meiner Mutter sagte, war sie erleichtert und lächelte mich an. Mama war glücklich, das musste etwas Gutes heißen. Gerade nochmal Glück gehabt.
    Nachdem ich dann doch noch meinen Namen korrekt angegeben hatte, ging es los. Ich wurde vermessen, gewogen und begutachtet, als ginge es darum zu ermitteln, wie viel man für mich bei einem südäthiopischen Menschenhändler herausschlagen könnte. Als wenn es irgendeine Rolle spielte, wie groß ich war. Hätte man bei fünf Zentimeter weniger Körpergröße gesagt «Er ist zwar im Kopf weit genug, aber einfach viel zu klein für die Schule. Da müssten wir höhere Stühle bauen, kleinere Tische anschaffen, und an die Kleiderhaken käme er auch nicht ran. Schicken Sie den Jungen lieber in eine Silbermine in Südamerika, da passt er besser rein»?
    Doch besser ein Mal zu viel gemessen als ein Mal zu wenig. Auch wenn diesmal herauskam, dass ich im Vergleich zur letzten Untersuchung beim Kinderarzt zwei Zentimeter geschrumpft war. Das musste die Last der baldigen Verantwortung als Grundschüler sein. Oder ein Messfehler.
    Als Nächstes sollte ich mein geometrisch-mathematisches Verständnis für einfache Formen und Symbole beweisen. «Malte, kannst du denn schon ein Dreieck malen?»
    Die Antwort «Ja, Opa. Und dass du’s nur weißt: Ein Viereck und einen Kreis kriege ich auch schon hin» ist mir damals nicht eingefallen. Ich habe artig ein Dreieck gemalt und weil ich das so gut konnte, durfte ich sofort danach eine Sonne malen. Klasse! Von Thomas hatte ich gehört, nach dem Dreieck komme erst mal ein Strichmännchen. Das hatte ich glatt überspringen dürfen. War nicht nötig. Direkt weiter zur Sonne. Ich hatte es allen gezeigt! Seht ihr, so macht man das! Huaaahaha, direkt die Sonne. Hochbegabt, ganz klar. Wer sofort die Sonne malen darf, muss hochbegabt sein!
    Dieses Hochgefühl wich dann wenig später einer gewissen Ernüchterung, als ich feststellen musste, dass «Sonne» in der Bewertungsskala doch unterhalb von «Strichmännchen» lag und meine zeichnerisch-motorischen Fähigkeiten wohl als etwas, nun ja, begrenzt eingestuft worden waren. Sonst hätte ich nämlich noch ein Haus malen dürfen. Nur wer das durfte, galt als Überflieger.
    Bald waren alle Tests abgeschlossen, bis auf einen: den Psychotest. Meine Mutter und die Arzthelferin wurden gebeten, den Raum zu verlassen. Die Spannung stieg. Hätte man mich jetzt gemessen, ich wäre wahrscheinlich nochmal drei Zentimeter kleiner gewesen. Und das hätte dann wirklich Silbermine in Peru bedeutet.
    Der Arzt und ich waren nun alleine in dem großen Behandlungszimmer, und selbst mein Freund, der Pinguin, war rücklings von der Couch gekippt. Der Doktor holte ein neues Blatt Papier heraus, legte Buntstifte daneben und stellte mir die Aufgabe, die, wie ich heute weiß, zeigen sollte, ob ich das nötige Urvertrauen in mein Umfeld entwickelt und die psychische Reife für den Schulbesuch hatte. Ich sollte meine Familie als Tiere darstellen. Okay. Wenn’s weiter nichts war. Dann male ich eben meine Familie als Tiere. Ein toller Test. Das Problem dabei: Die Anzahl der Tiere, die ich erkennbar malen konnte, war recht überschaubar. Es blieb mir also nichts anderes übrig, meine Mutter als Eule auf einem Ast sitzend, meinen Vater als Walross (nein, er ist nicht dick!), meine große Schwester als Pferd, meine kleine Schwester als Schlange und mich als Hund zu zeichnen.
    Der Arzt ergänzte auf meine Anweisungen die Bezeichnungen in ordentlichen Druckbuchstaben, deren lesbare Schreibung ihn sichtlich Mühe kostete.
    Jetzt hatte die große Stunde des Psychologen geschlagen. Meine Mutter wurde wieder hineingebeten, und der Arzt deutete meine Zeichnungen. Laut den Erzählungen meiner Mutter hat er sich damals richtig in die Interpretation hineingesteigert: Messerscharf analysierte er, meine Mutter stehe über allem, da sie als Eule auf einem Ast sitze. Außerdem fände ich sie nett, obwohl sie durchaus auch zum Raubtier werden könne. Das Walross war nach Ansicht des Psychologen ein Symbol für die Trägheit meines Vaters sowie eines für meinen Respekt vor ihm. Meine große Schwester sei sehr aktiv und sprunghaft, meine kleine Schwester etwas bösartig (wegen der Schlange), und ich selbst als Hund ein eher friedlicher Zeitgenosse, der aber auch
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