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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
Autoren: Malte Pieper
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in Person. Langeweile mit Orhan? Niemals.
    Orhan hat wie ich gerade sein Abitur gemacht. Dabei sah es lange nicht danach aus, war für ihn das Abi doch immer Sinnbild für alles Uncoole.
    «Meine Eltern dachten voll, Abitur wär so krass nur für deutsche Oberstreber, Alter.»
    «Orhan, du hast ’nen deutschen Pass, du bist Deutscher!?»
    «Bin ich Türke, du Opfer!»
    Da sollte man lieber nicht widersprechen, auch wenn Orhan früher glaubte, Istanbul sei die Hauptstadt seines Heimatlandes («Ey, gibt es fünf Fußballvereine aus Istanbul in erste Liga, muss Hauptstadt sein, Alter»). Mittlerweile lacht er über seine Argumentation von damals.
    Der Zweite im Bunde ist Fabrizio, von allen nur Fabio genannt. Fabio hat italienische Eltern, war ebenfalls bei uns auf der Schule, ist aber nach der zehnten Klasse abgegangen, um eine Schreinerlehre zu beginnen, die er nach drei Monaten in den Sand gesetzt hat. Seitdem hängt er bei seinen Eltern ab. Seine Mutter fördert das sehr, ist sie doch eine typische italienische «Mamma», die ihr kleines Muttersöhnchen am liebsten niemals ausziehen lassen würde. Bei Fabios, sagen wir mal, Gemütlichkeit braucht sie sich da allerdings keine übermäßigen Sorgen zu machen.
    Nummer drei der Clique ist Thomas. Für Thomas war es am Ende nochmal richtig knapp mit dem Abi. Jetzt will er eine Ausbildung bei einer Bank anfangen, aber nur, damit er danach genug Wartesemester hat, um Medizin studieren zu können. Die braucht er nämlich dringend mit einem Abischnitt von 3 , 6 . Bei dem aktuellen Ärztemangel nehmen sie ihn wahrscheinlich trotzdem mit Kusshand. Sowieso sind wir uns alle einig: Ein Abischnitt sagt nichts über die Qualifikation eines Menschen beispielsweise als Mediziner aus. Wenn man weiß, wie Abiturnoten entstehen – oft entscheidet Sympathie oder zuweilen auch die Ausschnitttiefe der Schülerinnen –, dann weiß man, dass sie als Maßstab für ärztliches Können ungeeignet sind. Warum soll nicht jemand, der in Geographie und Geschichte eine Niete war, als Arzt eine Koryphäe seines Fachs werden? Sowohl Thomas als auch Orhan würde ich diesen Beruf durchaus zutrauen.
    Der Letzte im Bunde bin ich. Derjenige, dem alle eine tolle Laufbahn voraussagen. Der sich die Karriere doch nur noch auszusuchen braucht («… bei den Noten!»). Das Problem ist nur, dass ich trotz Einser-Abi zum Beispiel als Arzt völlig ungeeignet wäre, weil ich kein Blut sehen kann.
    Aber die Gesellschaft hat eben gewisse Erwartungen: Den Glückwünschen zum bestandenen Abitur folgen meist gutgemeinte Ratschläge, wie «Du wärst bestimmt ein guter Anwalt» oder: «Geh in die Wirtschaft. Da liegt das richtige Geld.» Meine Oma meinte sogar, ich solle Politiker werden.
    Auf der einen Seite prognostiziert man mir den beruflichen Himmel auf Erden, auf der anderen Seite werde ich, egal, wo ich hinkomme, immer noch als Kind wahrgenommen und geduzt. Genauso läuft es, wenn ich Bahn fahre. Da geht der Mann mit den Getränken und Snacks immer schnurstracks an mir vorbei, weil er mich gar nicht erst als Kunden wahrnimmt. Frei nach dem Motto: «Der ist jung. Der hat kein Geld.» – Stimmt ja auch, aber ich habe Durst …

[zur Inhaltsübersicht]
    «Jetzt fängt der Ernst des Lebens an!» – Der Erstkontakt

    Treffpunkt Bolzplatz
    Heute ist Montag. Mein erster Montag ohne Schule – und das für immer. Denn letzten Freitag war Schulabschluss. Das Abitur ist bestanden und das Zeugnis sicher verpackt in einer Klarsichthülle zu Hause in einem Ordner verstaut. Seit letzter Woche sind wir keine Schüler mehr. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Dreizehn Jahre Schinderei sind vorbei, und Sprüche wie «Nicht für die Schule, für das Leben lernt ihr!» müssen wir uns hoffentlich nie wieder anhören. Endlose Unterrichtsstunden, in deren Angesicht der Teufel höchstpersönlich sein Fegefeuer wegen zu hohem Luxusfaktor mit sofortiger Wirkung abgeschafft hätte, sollten uns nun nie wieder quälen. Nun kam das Leben. Die Freiheit! Nie wieder Schulbücher, nie wieder Klassenarbeiten und nie wieder bei Wikipedia gucken, ob man die Hausaufgaben nicht dort schon fertig finden kann. Endlich darf man selbst bestimmen, wo es langgehen soll: hinaus in die Welt! Selbst wenn die für mich erst mal nur aus unserem Bolzplatz besteht. Denn da haben die Jungs und ich uns verabredet.
    Nachdenklich gehe ich die Straße zum Sportgelände hinauf und frage mich, was jetzt wohl auf mich zukommen wird. Just in diesem
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