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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
Autoren: Malte Pieper
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schon mal knurren könne. Die Tatsache, dass sich der Hund und das Pferd auf dem Bild den Rücken zuwendeten, deutete er als Zeichen häufiger Auseinandersetzungen zwischen meiner großen Schwester und mir. So viel zur Theorie.
    Nun zur Praxis: Meine Mutter hatte ich als Eule gezeichnet, weil sie damals eine recht große Brille trug, die ich mit «Eule» assoziierte. Auf einem Ast habe ich sie nicht dargestellt, weil sie über allem steht, sondern weil Eulen nun mal auf Ästen sitzen und nicht auf dem Boden. Außerdem wäre auf dem Boden gar kein Platz mehr gewesen, da tummelten sich ja schon die anderen Tiere. Meinen Vater malte ich einzig und allein deshalb als Walross, weil ich am Vortag im Kindergarten eine Malanleitung für ein Walross bearbeitet hatte und nun zeigen wollte, wie toll ich dieses Tier malen konnte. Wo ich es doch bei der Sonne schon so versaut hatte …
    Der Rest ist ebenfalls schnell erklärt: Meine große Schwester war als Pferd dargestellt, weil sie Pferde mochte, und ich als Hund, weil mir da schon kein anderes Tier mehr eingefallen war, das ich halbwegs malen konnte. Und die Sache mit den Auseinandersetzungen und den zugewandten Rücken? Ganz einfach: Ich habe Pferde immer so rum gemalt, dass sie mit dem Kopf nach links, und Hunde immer so, dass sie mit dem Kopf nach rechts gucken. Andersrum kann ich das nicht.
    Bleibt noch das große Rätsel um meine kleine Schwester zu klären, die ich als Schlange verewigt hatte. Am liebsten hätte ich sie ja als Äffchen gemalt, weil sie noch so klein war und manchmal etwas nervte. Aber Äffchen liegen für jemanden, der noch nicht mal ein Strichmännchen richtig hinkriegt, schlichtweg außerhalb aller zeichnerischen Möglichkeiten. Und so beschloss ich, bevor ich mich mit einem verkrüppelten Äffchen-Versuch blamiert hätte, sie als Schlange zu Papier zu bringen. Zwar passten die typischen Schlangen-Attribute «hinterlistig» und «giftig» überhaupt nicht auf sie, aber wer schon mal eine Schlange gemalt hat, wird bemerken, wie einfach das ist.
    Die Tests hatte ich aber dennoch bestanden und bekam so die offizielle Bestätigung: Schulbank statt Silbermine. Ein Glück.
    Der Vollständigkeit halber sei hier noch erwähnt, dass Fabio seine Mutter als Spaghetti Bolognese, Thomas seinen Vater als rotes Auto und Orhan seinen Bruder als nackten Hintern malte. Die tiefere psychologische Deutung überlasse ich hierbei dann aber doch lieber den Profis …
    Die R-Frage
    Nachdem die Schuleignungsprüfung also bestanden war und feststand, auf welche Grundschule ich gehen sollte, brachen die letzten Wochen des Kindergartenzeitalters an. Und damit galt es, sich startklar zu machen für den härtesten aller Wettkämpfe, zum Show-down auf dem Pausenhof, der über den Verlauf des zukünftigen Schullebens entscheiden würde, darüber, ob man zu den Gewinnern oder den Verlierern der Schule zählte: dem Kampf um die schönste Schultasche. Was im Geschäftsbereich die Rolex-Uhr und der Ferrari, waren bei uns Jungs der Rucksack mit Rennauto- oder Fußballmotiven. Für die Mädchen mit ihren rosa Blümchenranzen mit Schmetterlingen oder Pferden hatten wir nur Verachtung, allenfalls ein müdes Lächeln übrig. Die Mädchen machten sich wiederum darüber lustig, dass wir Jungs fast alle den gleichen Ranzen mit den gleichen Motiven hatten. So hatte jeder was zu lachen. Außer Thomas, dessen Mutter der Ansicht gewesen war, Delphine seien eindeutig ein Jungenmotiv. Für alle Eltern: Nein, das sind sie nicht. Delphine – vor allem, wenn sie durch über dem Wasser schwebende Herzchen springen – sind definitiv
kein
Jungenmotiv!
    Eine Woche später hatte auch Thomas einen Rennautoranzen. Die R-Frage war damit geklärt.
    Alles in Ordnung also, könnte man meinen. Doch so, wie die Lehrer uns später Schwierigkeiten machten, wenn wir wieder mal die binomischen Formeln vertauscht hatten (mein Gott, das sind sagenhafte drei Stück; die kann man ja mal verwechseln), genauso bereiteten uns die Schulranzen bald Probleme. Vielleicht ist alles, was mit Schule zu tun hat, mit Unannehmlichkeiten bis hin zu Schmerzen – in diesem Fall Rückenschmerzen – verbunden, möglicherweise hatten die Hersteller unserer Schulranzen aber auch nur ein winziges, aber entscheidendes Detail bei der Konstruktion derselben nicht bedacht: Wir waren klein. Sehr klein.
    Damals wie heute kann man auf der Straße kleine, geradezu winzige Kinder auf ihrem Weg zur Schule beobachten, wie sie riesige,
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