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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
Autoren: Malte Pieper
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Abenteuer Schule würde jetzt erst richtig beginnen. Jetzt würde sich uns die große weite Welt des Wissens erschließen. Jetzt waren wir Gymnasiasten.
    Neun Jahre von diesem Moment an bis zum Abitur. Neun Jahre weiterführende Schule. Neun Jahre lang der ganz normale Wahnsinn …

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    «Ihr seid bescheuert. Ich bin verrückt. Also alles ganz normal!» – Der Unterricht

    «Schuldigung!»
    Der Schulgong ertönt, die Schülerinnen und Schüler strömen in den Klassenraum und setzen sich brav an ihre Tische. Arbeitsmaterial und Bücher werden herausgeholt, die Hefte im rechten Winkel zur Tischkante ausgerichtet und die Stifte nach Farben sortiert bereitgelegt. Die lernwilligen und hochmotivierten Kinder sitzen still an ihren Plätzen und stehen auf, sobald die Lehrkraft den Raum betritt, um diese artig zu begrüßen. Es folgt ein konzentrierter und disziplinierter Ablauf der Stunde, an der sich die Schüler rege beteiligen und an deren Ende sie wissbegierig die Hausaufgaben in ihre Hefte notieren, die sie zur nächsten Stunde selbstverständlich gewissenhaft erledigt haben.
    So oder so ähnlich müssen Lehrer sich das Paradies vorstellen. Realistisch ist dieses Szenario nicht. Es bräuchte schon den Einsatz schweren Kriegsgeräts oder die Androhung schlimmster Strafen – zum Beispiel das globale Abschalten des Netzwerkes Facebook –, um Schüler an einer deutschen Schule dazu zu bringen, sich so vorbildlich zu verhalten. Ich glaube, das war schon immer so, ist überall so und wird immer so bleiben. Wo Schüler sind, da ist auch Lärm und Unordnung. Damit müssen Lehrer klarkommen, das ist schließlich ihr Job. Wer Bäcker wird, darf sich auch nicht beschweren, dass es am Ofen zu heiß ist. Schüler müssen sich entfalten können und laut sein, und Lehrer nerven gehört eben dazu. Selbst als es die Prügelstrafe noch gab, haben sich Schüler danebenbenommen, und die Erwartung, dass ihr Verhalten besser wird, indem man ihnen mehr Freiheiten zugesteht und weniger Druck von oben aussetzt, ist blauäugig. Trotzdem ist die Abschaffung der Prügelstrafe eine wertvolle Errungenschaft – und das nicht nur aus Gründen des Kindsschutzes. Würde ein Lehrer heutzutage versuchen, einen Schüler mit dem Rohrstock zu verprügeln, würde der Schüler zurückschlagen oder die körperliche Züchtigung – je nach Verfügbarkeit – mit seinem Butterfly-Messer oder einem Schlagstock beantworten. Die Abschaffung der Prügelstrafe schützt also auch die Lehrer. Wobei ich mir sicher bin, dass so mancher Lehrer gerne auf diese veraltete Lehrmethode zurückgekommen wäre. Wer Schüler mit lateinischen Grammatiktests quält, macht auch vor dem Rohrstock nicht halt.
    Bei meiner Schule wäre der oben geschilderte Musterablauf des Unterrichts allerdings nicht nur wegen uns Schülern unmöglich gewesen. Er wäre bereits am ersten Schritt nach dem Schulgong gescheitert: Wir hätten gar nicht in den Klassenraum strömen können, da bei uns die Räume in den Pausen immer abgeschlossen wurden, damit die Schüler sich nicht unbeaufsichtigt hineinschleichen konnten. Das wäre ja auch furchtbar gewesen! Was hätten wir dort nicht alles Schlimmes anstellen können?! In jedem unbeaufsichtigten Schüler schlummert aus Lehrersicht ein potenzieller Drogendealer, Computer-Hacker oder Papstmörder. Ich bin mir sicher, hätte man uns nur einmal allein im Klassenzimmer gelassen, wir hätten die Tische aus dem Fenster geworfen und mit grüner Farbe «Hallo, Aliens, hier könnt ihr landen!» auf die Fenster gepinselt. Anschließend hätten wir unsere mitgebrachten Pausenbrote auf einem Altar aus Kreide und Tafelschwämmen geopfert, einen völlig verängstigten Fünftklässler mit dem Kopf nach unten an die Tafel gehängt, ihn mit Papierkügelchen beworfen und aus den Schulstühlen den schiefen Turm von Pisa nachgebaut, diesen dann umgeworfen und laut gegrölt: «Scheiß auf die PISA -Studie! Wir sind unbeaufsichtigt! Olé!» Am Ende hätten wir die Schule dann wegen Verletzung der Aufsichtspflicht angezeigt und ein saftiges Schmerzensgeld für den Fünftklässler vom Schuldirektor erpresst, das wir dann untereinander aufgeteilt hätten. Was wäre das für ein Spaß gewesen!
    Aber die Tür war ja abgeschlossen, und so standen wir immer auf dem Gang, bis der Lehrer oder die Lehrerin kam, um uns aufzuschließen. Ungeachtet dieser Tatsache forderten uns unsere Lehrer immer wieder aufs Neue auf, in den Raum zu gehen und unsere Sachen
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