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Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage

Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage

Titel: Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage
Autoren: Mark Brandis
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kaum mehr als ein zähneknirschendes Zugeständnis an längst ausgehöhlte diplomatische Traditionen. Dementsprechend war der Botschafter als ein Mann nichtssagender Worte bekannt. Diesmal jedoch sprach er mit einer Offenheit und Direktheit, die ich von ihm niemals erwartet hatte.
    »Ich plaudere kein Geheimnis aus«, sagte er, »wenn ich feststelle, daß es die VOR trotz aller Anstrengungen bisher nicht vermocht haben, den technologischen Vorsprung der EAAU vor allem auf dem Gebiet der Astronautik einzuholen.« Noch immer gäbe es empfindliche Lücken – und mit einer solchen habe man es im Augenblick zu tun. Nach dieser Einleitung kam Sen Sung Yang zur Sache.
    Er berichtete von der Indienststellung des künstlichen Planeten Himmlisches Peking , mit dem die VOR in Anlehnung an die Astropolis-Serie der EAAU den ebenso kostspieligen wie gefahrvollen Versuch unternahmen, als Ventil für ihre überschäumenden Menschenmassen neue Heimstätten im Weltraum zu erschließen. Der Kunstplanet Himmlisches Peking sei mittlerweile zur neuen Heimat für annähernd hunderttausend Menschen geworden. Gleichzeitig mit ihm sei zum Zwecke seiner Versorgung als einziges großes ziviles Raumfahrzeug der Kosmokreuzer Han Wu Ti entwickelt worden.
    Der Botschafter bat um das entsprechende Bild, und die Projektorenwand leuchtete auf.
    Die Han Wu Ti entpuppte sich als zivile Variante des Schweren Kreuzer-Typs Pagode: ein flaches, breites und wenig komfortabel anmutendes Schiff.
    Das Unglück, von dem der VOR-Botschafter berichtete, geschah am 27. März: auf der Rückreise vom Kunstplaneten Himmlisches Peking nach Tokio.
    »Richtiger gesagt – der 27. März erwies sich als der Tag, an dem man auf der Han Wu Ti erstmals erkannte, daß sich in der komplizierten Elektronik des Navigationssystems ein verhängnisvoller Fehler eingenistet hatte. Die Han Wu Ti war vom Kurs abgekommen und hatte sich dem Neptun auf unzulässige Distanz genähert.« Sen Sung Yang warf einen Blick in seine Aufzeichnungen. »Nun, mit diesem Zwischenfall wäre man an Bord wohl fertig geworden. Aus dem Lichtspruch, der sowohl in Peking als auch in Tokio empfangen wurde, geht eindeutig hervor, daß an der Behebung des Schadens bereits gearbeitet wurde, als sich der zweite Unfall ereignete. Die Han Wu Ti , deren komplettes elektronisches System für die Dauer der Reparaturarbeiten lahmgelegt war, stieß ungewarnt in einen Meteoritenschwarm, wobei sowohl das Triebwerk als auch die Steuerdüsen Schaden nahmen. Als Folge davon geriet sie in manövrierunfähigem Zustand in eine Umlaufbahn um den Neptun – und dort sitzt sie bis auf den Tag fest. So jedenfalls lautete die letzte Botschaft, die uns der Kommandant zukommen ließ, bevor am 7. April die Verbindung vollends abbrach.«
    Der VOR-Botschafter legte eine Pause ein.
    Ich starrte auf das Bild an der Wand, das noch immer die Han Wu Ti zeigte, und irgend etwas in mir gefror zu Eis. Was dem VOR-Passagierschiff zugestoßen war, zählte zu den Alpträumen eines jeden Astronauten.
    Hilflos an die Umlaufbahn um einen fremden, bisher nur höchst oberflächlich erforschten Planeten gefesselt, aller Wahrscheinlichkeit nach auf sinkender Bahn, an deren Ende früher oder später unweigerlich der Aufprall stehen mußte, mit verstummtem Triebwerk, so trieb das Schiff nun schon seit Wochen durch den leeren Raum: preisgegeben allen Magnetstürmen und Meteoritenschlägen. Und da der Bordsender schwieg, war nicht in Erfahrung zu bringen, wie es um die Heizung und um die Luftversorgung stand. Die Heizung bezog ihre Energie wahrscheinlich direkt vom Triebwerk, und die Atemluft stammte aus den Preßlufttanks, deren Kapazität begrenzt war und die nun, falls keine Aufbereitung mehr stattfand, nicht wieder aufgeladen wurden.
    Die Situation, in der sich die Han Wu Ti befand, war die eines fünften Rades am Großen Wagen. Nie war dieser bissige Astronautenausdruck zutreffender gewesen, mit denen man alle die belegte, die ausflogen, um nicht wiederzukommen.
    Sen Sung Yang nahmen den Faden wieder auf.
    »An Bord der Han Wu Ti befinden sich vierzehn Mann Besatzung und sechsundachtzig Passagiere …«
    An dieser Stelle wurde er unterbrochen. Die Frau, deren flehentlichen Blick ich zuvor nicht zu deuten gewußt hatte, sprang plötzlich auf.
    »Helfen Sie uns!« rief sie. »Unter den Passagieren ist auch mein Kind. Das Mädchen ist gerade fünf Jahre alt, und es hat seinen Vater besucht, der auf Himmlisches Peking als Monteur beschäftigt ist. Helfen
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