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0216 - Der Pharaonenfluch

0216 - Der Pharaonenfluch

Titel: 0216 - Der Pharaonenfluch
Autoren: Rolf Michael
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Da und dort wurden jetzt Bewegungen sichtbar. Halblautes Rufen in einer seltsamen, kehligen Sprache. Gespenstergleiche Schatten winkten sich gegenseitig. Leise, jeden Laut vermeidend, huschten sie herbei. Die dünnen Sohlen ihrer Sandalen verursachten nur ein leises Knirschen im Sand und in den Steinen.
    Alle eilten einem gewissen Spalt im Felsen zu. Sie hatten sonnenverbrannte Gesichter, denen lange, dunkle Bärte ein abenteuerliches, exotisches Aussehen gaben. Wie ein undurchdringlicher Dschungel wucherte es über ihre Backen. Die Farbe der Augen war kohlschwarz, aber in dieser Nacht konnte man nur das Weiße schimmern sehen. Die gekrümmten Nasen glichen den Schnäbeln von großen Greifvögeln. Schwielen an den Händen zeugten davon, daß diese Männer hart zu arbeiten verstanden.
    Die schmutziggelben Kaftane waren ehedem weiß gewesen. Turbane bedeckten die Köpfe oder weiße Kopftücher, wie sie die wandernden Beduinenstämme bevorzugen.
    Nur einer, der offensichtliche Anführer, war barhäuptig. Mit einer kreisenden Handbewegung deutete er an, daß sich alle um ihn scharen sollten, als sie in einer kleinen Schlucht Deckung gefunden hatten.
    Wie Verschwörer drängten sich die Männer zusammen. Und wahrlich, Verschwörer waren sie. Wenn auch nicht gegen die Lebendigen.
    Aber es gibt nur einen einzigen Grund, warum Männer in der Gegend von Karnak und Luxor den Schlaf der Nacht opfern und in die unwirtliche Wüste ziehen. In die Wüste auf der linken Seite des Nils, wo es während der Tagesstunden von Touristenströmen wimmelt. Menschen aus aller Herren Länder, die gekommen sind, den Friedhof der Götter in den goldenen Särgen zu bestaunen.
    Das Tal der Könige.
    Der Ort, wo die Pharaonen des sogenannten Neuen Reiches ihre Felsengräber herrichten ließen. Grabkammern, in denen sie hofften, inmitten ihrer Schätze ausruhen zu können, bis die Götter ihre Seele zurück in den auf wunderbare Weise erhaltenen Leib entlassen. Wird der Leib des Menschen aber zerstört, so irrt die Seele ziellos umher.
    Fürchterliche Drohungen sprachen die Gottkönige vom Nil über die aus, welche durch Habgier oder Wissensdurst ihren ewigen Schlummer störten.
    »Der Geist des toten Pharao wird das Genick des Grabschänders umdrehen wie das einer Gans!« sagen die Hieroglyphen im Vorraum eines der Königsgräber und eine andere lautet: »Das Krokodil im Meer, die Schlange auf der Erde sollen sich gegen den erheben, der meinem Grab Böses antut, obwohl ich ihm nie Leides tat. Er wird von den Göttern bestraft werden!«
    Die bekannteste Fluchformel aber ist die, welche auch in unseren Tagen noch immer wirkungsvoll ist und seit den Tagen, da das Grab des Pharao geöffnet wurde, immer neue Opfer fordert.
    »Der Tod soll den mit seinen Schwingen erschlagen, der die Ruhe des Pharao stört!« lautet die Fluchformel des Tut-anch-Amun.
    Gedanken an den Fluch ihrer Vorfahren schienen die Männer nicht zu belasten. Ihr Gemüt war dagegen völlig abgestumpft. Denn so etwas wie Angst vor der Macht der Toten durfte man bei dem, was sie betrieben, nicht haben.
    Eine Bande von Grabräubern hatte sich zusammengefunden, um in der Schwärze der Nacht ihren finsteren Machenschaften nachzugehen.
    Wieder einmal sollte die Grabruhe im Tal der Könige von frevlerischen Händen gestört werden.
    ***
    Es war wie in Bild aus einem Märchen von Tausendundeiner Nacht. Ein Gewimmel von Menschen in weiten Kaftanen und Burnussen, die Köpfe mit dem Turban bedeckt, Frauen in schwarzblauer Kleidung, die das Gesicht verschleierten und aus deren Augen die Glut des Südens sprach. Wortfetzen wehten überall. Reden, Geschrei, Gelächter. Lauthals gestikulierend priesen Händler ihre Ware an, Wasserverkäufer trugen ihre schwere Last und kleine Kinder drängten ihre Dienste als Schuheputzer auf.
    Über allem aber wehte ein Geruch, eine seltsame Mischung aus Mokka, süßlichem Orient-Tabak und gebratenem Hammelfleisch.
    Der Basar von Kairo, wenige hundert Meter hinter der weltberühmten Al-Ashar-Moschee, bildete ein lebendiges Kaleidoskop des Orients. Hier konnte man sich in die Welt des Harun al Raschid von Bagdad, Ali Babas oder Sinbad des Seefahrers versetzt fühlen.
    Der junge Mann, der die Basarstraße entlangging und Mühe hatte, sich durch das Gewimmel hindurch zu winden, hatte ähnliche Gedanken. Den dröhenden Verkehr des zwanzigsten Jahrhunderts hatte er hinter sich gelassen, hier war die Welt der Märchen und Legenden. Er fühlte sich nicht mehr als Mensch
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