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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman
Autoren: Heyne
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Schlosses pulsiert langsam ein winziges rotes Licht.
    Jetzt nähern sie sich dem höchsten Punkt der Strecke, dem Tanggula-Pass, der immer noch fast einen Tag von Lhasa entfernt ist. Hier oben, fünf Kilometer über dem Meeresspiegel, fühlt sich die Luft kühl und dünn an. Die meisten Leute werden auf ihren Plätzen bleiben, angeschlossen an die Sauerstoffversorgung des Zugs. Draußen furcht und wölbt sich seit einer Stunde die tibetische Hochebene - eine Sinfonie aus Grau, Beige und Braun mit Einsprengseln von frühsommerlichem Grün - zu Ausläufern, die die runzligen Wälle näher rückender Berge in der Ferne ankündigen.
    Der Hauptschaffner hat viel Geld verlangt für den Freischaltcode. Sollte also funktionieren. Schnell tippt er ihn ein.
    Das rote Pulsieren wird zu einem gleichmäßigen Grün. Unwillkürlich muss er schlucken.

    Der Zug schaukelt; der Griff liegt kalt zwischen seinen Fingern.
     
    Und es beginnt mit unserem jung klingenden, jung aussehenden und sich jung gebenden, aber letztlich doch schon etwas in die Jahre gekommenen Freund Mr. Adrian Cubbish, der an einem Londoner Morgen in seinem Zuhause in Mayfair erwacht - ach, sagen wir im Spätsommer 2007, der Ablauf ist an den meisten Tagen sowieso der gleiche. Er liegt in seiner Schlafzimmersuite, die den größten Teil des ehemaligen Speichers in dem Stadthaus einnimmt. Leichter Regen fällt auf die Doppelglasscheiben, die im Fünfundvierziggradwinkel zum hellgrauen Himmel zeigen.
    Wenn Adrian ein Symbol hätte, müsste es ein Spiegel sein. Jeden Morgen, bevor er zur Arbeit geht, und manchmal auch an den Wochenenden, wenn er nicht arbeiten muss, nur so aus Spaß, wendet er sich an den Spiegel: »Der Markt ist Gott, es gibt keinen anderen Gott als den Markt.«
    Dann holt er Luft und lächelt sein noch nicht ganz waches Gesicht an. Er wirkt frisch und fit, schlank und muskulös. Er hat gebräunte Haut, schwarzes Haar, graugrüne Augen und einen breiten Mund, um den normalerweise ein wissendes Grinsen spielt. Adrian hat nur ein einziges Mal mit einer deutlich älteren Frau geschlafen; sie hat seinen Mund als »sinnlich« bezeichnet, was er nach kurzer Überlegung cool fand. Frauen in seinem Alter oder jünger nannten seinen Mund höchstens süß, wenn sie überhaupt auf die Idee kamen, ihn zu beschreiben. Er hat einen Bartschatten, der eine Nacht alt ist. Manchmal lässt er den Bart bis zu einer Woche wachsen, bevor er ihn abrasiert. Ob mit oder ohne, er wirkt immer attraktiv. Wenn er ganz ehrlich zu sich selbst ist, sieht er aus wie ein männliches Model. Er
sieht aus, wie er aussehen will. Nur ein wenig größer könnte er vielleicht sein.
    Er räuspert sich und spuckt in eins der zwei Glaswaschbecken im Bad. Er fährt sich mit der Hand durch die dunklen Locken seines Schamhaars. »Im Namen des Kapitals, barmherzig und weise.« Mit amüsiertem Grinsen zwinkert er seinem Spiegelbild zu.
     
    Und dann haben wir noch die Suite in einem niedrigen Bürogebäude in Glendale, Los Angeles, deren Jalousien das schräg einfallende Spätnachmittagslicht zerteilen und als dunkel glänzende Streifen über Teppichfliesen, Stühle, Anzüge und einen Konferenztisch werfen, während Mike Esteros vor dem gleichförmigen Rauschen der Autobahn sein Angebot unterbreitet.
    »Meine Herrschaften … das ist mehr als nur eine Geschäftsidee. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch - es ist eine Geschäftsidee, aber es ist auch ein wesentlicher Bestandteil des Films, von dessen Erfolgsaussichten ich Sie zu überzeugen hoffe.
    Kurz gesagt geht es darum, wie man Aliens aufspüren kann. Wirklich. Wenn ich fertig bin, werden Sie mir glauben, dass es möglich ist. Sie werden wie ich der Meinung sein, dass wir ein Alien fangen können. Aber auf jeden Fall werden wir in der Lage sein, einen Film zu drehen, der eine ganze Generation in seinen Bann zieht - einen Film wie Unheimliche Begegnung der dritten Art oder Titanic. Vielen Dank, dass Sie mir einige Minuten Ihrer kostbaren Zeit gewähren; ich verspreche Ihnen, dass sie nicht verschwendet sein werden.
    Also, hat schon mal jemand von Ihnen eine totale Sonnenfinsternis beobachtet? Wenn von der Sonne nur noch
zarte Lichtranken hinter dem Mond hervorlugen? Sie, Sir? Ziemlich eindrucksvoller Anblick, nicht? Ja, wirklich umwerfend. Und für manche Menschen ein echter Wendepunkt im Leben. Sie werden zu Schattenjägern - zu Leuten, die Sonnenfinsternisse sammeln und in alle Winkel der Welt reisen, um dieses unheimliche und einzigartige
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