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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman
Autoren: Heyne
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ist, wenn sie einen Raumanzug brauchen, um zu überleben, würde es ihnen darauf ankommen, das Ganze aus möglichst großer Nähe zu verfolgen, unter Bedingungen, die so unverfälscht und natürlich sind, wie es sich nur einrichten lässt. Sie würden hier unter uns sein wollen, wenn der Schatten vorüberzieht.
    Das ist also die Gelegenheit, um nach Aliens Ausschau zu halten. Im Verlauf einer totalen Sonnenfinsternis. Wenn alle anderen ehrfürchtig hinauf zum Himmel blicken, muss
man sich nach Leuten umsehen, die irgendwie seltsam wirken oder merkwürdig gekleidet sind, Leute, die nicht aus dem Wohnmobil oder der ankernden Jacht mit den dunkel getönten Scheiben aussteigen.
    Wenn sie irgendwo sind, dann dort, und zwar so abgelenkt - und damit anfällig - wie alle anderen, die voller Staunen in dieses atemberaubende Spektakel versunken sind.
    Auf dieser Idee beruht der Film, den ich produzieren will. Er ist aufregend, er ist komisch, er ist traurig und tiefgründig und am Schluss auch erhebend, er hat zwei fantastische Hauptrollen, eine für einen Dad, eine für einen Jungen, und eine großartige weibliche Nebenrolle, dazu die Möglichkeit zu starken Charakterrollen und kleineren Parts.
    Das ist das Grundgerüst. Und jetzt möchte ich Ihnen die Handlung erzählen.«
     
    Und auch an einem völlig anderen Ort beginnt es …
    »Zwischen den Platanen und Aussichtstürmen von Aspherje erhebt sich an diesem klaren Mittsommermorgen die im Dämmerlicht glitzernde Nebelkuppel in all ihrer Pracht wie eine riesige goldene Denkkappe über der Universität für Praktische Talente. Unten, zwischen den Statuen und Bächlein des Parks auf den Dächern der Philosophischen Fakultät wandelt Lady Bisquitine mit Gefolge.«
    … ja, auch so beginnt es.
     
    Und mit einem schmächtigen, gebeugten, unscheinbaren Mann, der ein kleines Zimmer in einem großen Gebäude betritt. Er hat nur ein Blatt Papier und eine Südfrucht dabei, wird jedoch von Schreien begrüßt. Ungerührt mustert
er sein Gegenüber und schließt die Tür hinter sich. Die Schreie hören nicht auf.
     
    Und es beginnt hier und jetzt, an diesem Tisch vor einem Café im Pariser Stadtteil Marais, mit einem Mann, der eine winzige weiße Tablette aus einer kleinen, verzierten Süßstoffdose in seinen Espresso wirft. Sein Blick schweift über den vorbeiziehenden Verkehr und die Fußgänger - einige haben es eilig, die anderen flanieren -, streift den attraktiven jungen algerischen Kellner, der in seiner lebhaften Art mit zwei vorsichtig lächelnden Amerikanerinnen flirtet, und verweilt kurz bei einer elegant geschminkten und frisierten Pariserin mittleren Alters, die ihr zwergenhaftes Hündchen zum Tisch hochhebt, damit es ein paar Croissantkrümel auflecken kann. Dann gibt er ein schrumpeliges Stück braunen Zucker in seine Tasse und rührt in gespielter Nachdenklichkeit den Kaffee um, während er die Ormolu-Tabletten zurück in seine Jackeninnentasche gleiten lässt.
    Nachdem er einen Fünfeuroschein unter die Zuckerdose geschoben und die Brieftasche weggesteckt hat, leert er die Espressotasse mit zwei tiefen, genießerischen Schlucken. Als er sich zurücklehnt, hält er mit einer Hand noch den winzigen Griff, die andere hängt untätig herab. Ein erwartungsvoller Ausdruck liegt jetzt auf seinem Gesicht.
    Es ist ein Nachmittag im Frühherbst des Jahres 2008 unserer Zeitrechnung, die Luft steht klar und warm unter einem milchigen, passtellfarbenen Himmel, kurz bevor sich alles verändert.

EINS

PATIENT 8262
    Ich glaube, was ich gemacht habe, war sehr schlau. Dass ich hier gelandet bin, meine ich. Aber natürlich neigen viele Leute so wie ich im Moment dazu, sich zu ihrer Cleverness zu gratulieren. Und viel zu oft in meiner Vergangenheit folgte diesem Gefühl, es besonders schlau angestellt zu haben, die Erkenntnis, dass ich es nicht schlau genug angestellt habe. Aber diesmal …
    Mein Bett ist bequem, die Ärzte und Pflegekräfte behandeln mich gut und mit einer professionellen Gleichgültigkeit, die in meiner speziellen Situation viel beruhigender ist als übertriebene Hingabe. Das Essen ist annehmbar.
    Wenn ich so im Bett liege, habe ich viel Zeit zum Nachdenken. Und vom Nachdenken verstehe ich was. Wir alle verstehen etwas davon. Als Gattung, meine ich. Es ist unsere Stärke, unsere Fähigkeit, unsere überragende Begabung. Das, was uns über den Durchschnitt erhebt. Zumindest bilden wir uns das ein.
    Wie entspannend, hier zu liegen und sich versorgen zu lassen, ohne
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