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Weit weg ... nach Hause

Titel: Weit weg ... nach Hause
Autoren: dtv
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Lehrpersonen, einem drohen und Angst einjagen, aber wozu? Was
     sollen denn Thomas und Katja dazu sagen? Sie haben doch gar keinen Plan davon, was sich nachts in Luisas Kopf abspielt, wie
     sie mit den Monstergedanken klarkommt. Gedanken, die alle peinlichen und blöden Situationen zum Leben erwecken und sich immer
     wieder von Neuem abspielen. Und dann wächst nachts die Einsamkeit und wird größer und größer und immer mehr, wie der Brei
     in dem alten Märchen, der sich durch die Straßen der Stadt wälzt und alles unter sich begräbt.
    Das Schlimmste aber ist, dass ihre Angst genauso wächst wie die Einsamkeit, die Angst, von anderen verletzt und enttäuscht
     zu werden. Darum weiß Luisa jetzt auch nicht, ob sie Freddy vertrauen kann. Er sah ja nett aus, ein bisschen wie Marc aus
     Berlin.
    Luisa starrt auf das Zifferblatt ihrer Uhr. Zahlen und Zeiger verschwimmen zu eigenartigen Mustern.Plötzlich fällt ihr der Zeichenkurs ein. Wenn sie teilnehmen kann, muss sie spätestens zu Ferienbeginn wieder zu Hause sein.
     
    Die Minuten kriechen dahin wie altersschwache Nacktschnecken. Freddy kommt nicht zurück. Luisa fallen die Augen zu. Sie hat
     Durst. Stunde um Stunde vergeht. Endlich öffnet sich die Luke. Nur wenig Licht dringt in das Dunkel, der Nachmittag ist vorangeschritten,
     der Himmel wolkenverhangen.
    Behände schwingt sich der Junge auf die steile Treppe und balanciert einen dampfenden Becher in der rechten Hand.
    »Hi! Tut mir leid, es ging nicht früher. Mein Vater hat sich ausgeruht, deshalb musste ich das Schiff lenken.«
    »Kannst du das?«, fragt Luisa erstaunt.
    »Logo! Eigentlich bin ich noch zu jung, aber auf ungefährlichen Strecken lässt er mich ans Ruder. Ich soll üben.«
    Freddy hält ihr die Hand mit dem Becher entgegen: »Ach ja, hier! Ein Tee für dich, damit dir wieder warm wird. Später bring
     ich dir noch die Decke.«
    Luisa nimmt dankend die warme Tasse, hält siemit beiden Händen und riecht an dem dampfenden Getränk.
    »Warum bist du abgehauen?«, fragt Freddy und setzt sich neben sie auf die Kiste.
    »Das ist eine lange Geschichte. Willst du sie hören?«, antwortet Luisa.
    Freddy nickt: »Na klar! Schließlich soll ich dich verstecken. Da muss ich doch wissen, mit wem ich es zu tun habe. Vielleicht
     bist du eine berühmte, lang gesuchte Bankräuberin oder eine verrückte Mörderin, die Schiffe kapert und in Piratenmanier das
     Ruder unserer Andrea übernehmen will.«
    Luisa lacht laut auf: Sie eine Piratin oder Bankräuberin! Eine lustige Vorstellung.
    »
Andrea
heißt euer Schiff? Wer heißt denn so? Deine Mutter?«
    »Klaro!«, antwortet Freddy. »Mein Vater hat sich seine Zweit-Andrea zugelegt, weil er meine Mutter total vermisst, wenn er
     sie mal eine Woche nicht sieht. Aber dann hat er ja jetzt die andere, die große, um die er sich kümmern muss, und das tröstet
     ihn.«
    Luisa schaut nachdenklich auf ihre Fußspitzen: Es gibt Eltern, die sich so gern haben?
    »Was ist nun?«, drängelt Freddy. »Wo bleibt die Geschichte?«
    Luisa trinkt einen großen Schluck und beginnt zu erzählen: In blumigen Sätzen mit dramatischen Wendungen hört Freddy die Geschichte
     des Geburtstages und der Klassenfahrt und erfährt alles über Thomas, Katja und Carlo.
    Freddy hört aufmerksam zu. Als sie fertig ist und ihn erwartungsvoll anschaut, sagt er im tiefsten Ton der Überzeugung: »Ich
     versteh dich! Ich wär auch abgehauen!«
    Luisa glaubt, ihren Ohren nicht zu trauen: »Ich verstehe dich«, hat Freddy gesagt. Sie kann sich nicht erinnern, dass jemals
     irgendjemand diesen Satz zu ihr gesagt hat. Es ist wirklich das allererste Mal.
    Freddy schaut Luisa an und sagt: »Ich finde dich ganz schön mutig.«
    Luisa schießen Tränen in die Augen, sie möchte vor Freude weinen, seine Hand nehmen und nie mehr loslassen. Aber Freddy steht
     schon an der Treppe: »Ich muss zurück, mein Vater wird sonst misstrauisch. Ich räume normalerweise nicht freiwillig die Seile
     in diesem dunklen Loch auf.«
    Luisa fragt leise: »Wann kommst du wieder?«
    »Sobald die Luft rein ist. Vor allem mit Decke! Du siehst ziemlich verfroren aus.«
    »Geht schon!«, antwortet sie tapfer.
    Freddy steigt die Eisenstiege hoch und Luisa bleibt allein zurück: zähneklappernd vor Kälte, aber überglücklich!
     
    Als Freddy am Abend in ihr Versteck hinabsteigt, in der Hand eine braune, alte Wolldecke und ein heimlich geschmiertes, dickes
     Brot mit Leberwurst, wirkt er verändert. Ernst beobachtet er Luisa,
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