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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel
Autoren: Justin Evans
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Harness hier in Harrow gefunden«, fuhr Andrew mit großer Mühe fort – ein Sturm umtoste ihn, »daraus kann man nur schließen, dass sich Harness und Byron in ihrem alten Wohnhaus, dem Lot, getroffen haben. Es kam zu einer Begegnung in dem Zisternenkeller, ihrem geheimen Zufluchtsort von früher. Harness war nach Harrow gekommen, um Byron wegen seiner Untreue zur Rede zu stellen. Byron wollte Harness auffordern, ein für alle Mal die Drohungen und Schmähbriefe zu unterlassen. Die Auseinandersetzunggipfelte darin, dass Byron die Briefe seines ehemaligen Geliebten und – was noch schwerer wog – den Karneolring, den Harness ihm einmal als Liebespfand geschenkt hatte, zurückgab. Nach diesem Streit entschließt sich Byron, mit Freunden auszugehen. Seine Mätresse lässt er im Inn zurück. John Harness nutzte, rasend vor Eifersucht, die Gelegenheit. Während Byrons Abwesenheit schleicht er sich ins Zimmer seines früheren Geliebten. Dort findet er Mary Cameron vor und greift sie mit letzten Kräften an. Es gelingt ihm, sie mit einem Kissen zu ersticken. Er erlebt einen Moment des Triumphes  – er hatte seinen Rivalen bezwungen! Im Siegesrausch nimmt er Byrons Freundschaftsring, das zurückgegebene Liebespfand, und steckt ihn der Toten an den Finger. Jetzt wird Byron – und nur Byron – wissen, wer den Mord begangen hat. Harness erlebte eine fürchterliche Überraschung, als er das Kissen vom Gesicht der Leiche nahm: Die Tote war eine Frau. Er hatte mit einem männlichen Widersacher gerechnet. Als er seinen Irrtum erkannte, stahl er sich davon, um zu sterben. Er wusste nicht, ob er seine wahre Rivalin getötet hatte oder eine Fremde, die durch Zufall in Byrons Zimmer geraten war.
    Byron kommt zurück. Findet die Leiche in seinem Zimmer und ist schwer getroffen, als er …«
    Instinktiv hob Andrew jetzt den Kopf, um John Harness’ Blick zu begegnen. Ihm stockte der Atem. Einer solchen Bösartigkeit war er noch nie begegnet. Aufgeblähte Nasenflügel, schmale Lippen, kleine Zähne, ausgeprägte Wangenknochen, hohe Stirn. Es war ein würdiges, intelligentes Gesicht und gleichzeitig die Fratze des Teufels, die von Weißglut und mörderischem Hass gezeichnet war. Andrew erkannte den tragischen Aspekt – vielleicht hätteJohn Harness in einer anderen Welt ein erfülltes Leben führen können. Doch so war er gefangen von seiner Rachsucht.
    »… seine eigene Geliebte erstickt auf dem Boden sieht. Er entdeckt den Ring und versteht sofort. Sein Herz ist zweifach gebrochen  – einmal, weil er seine Geliebte an den Tod verloren hatte, zum anderen hatte diese feige Tat seinen geliebten John Harness zum Mörder gemacht.«
    Wieder begegnete Andrew dem Blick.
    Es wurde eiskalt in dem Klassenzimmer.
    Andrew … krächzte Mr. Toombs aufgeregt …
    Andrew erbleichte, überwältigt von diesen Augen.
    »Wir konnten keine Hinweise darauf finden, dass Byron jemals des Mordes angeklagt wurde  – und derlei Aufzeichnungen hätten die Zeiten sicher überdauert, angesichts Byrons späteren Ruhms und seines Talents, Skandale zu verursachen. Byron muss sich entschieden haben, seinen eigenen Ruf zu bewahren. Vermutlich hat er bis in die tiefe Nacht gewartet, Mary Cameron die Frauenkleider, die Hurenkleider, angezogen, sie auf Wegen, die er gut kannte, zum Church Hill getragen und dort abgelegt. Ihre Leiche muss am Morgen ganz in der Nähe der Stelle, an der man – ich – am Anfang dieses Schuljahres unseren Freund Theo Ryder entdeckt habe  … gefunden worden sein …«
    Andrews Stimme versagte.
    Die Anwesenden erinnerten sich später, ein animalisches Knurren gehört zu haben.
    »Andrew.« Dr. Kahn warnte ihn. Aber er hatte es auch vernommen.
    Das Knurren.
    Er sah zu dem Gesicht auf.
    Es lächelte; oder fletschte es die Zähne? Harness hatte sich von seinem Stuhl erhoben. Seine Zähne waren entblößt.
    Jetzt bist du dran.
    Ich bin nicht das knurrende Tier.
    Ich habe ihn zur rechten Zeit beschworen.
    Du weißt, auf wessen Stuhl ich sitze.
    Die Tür zu Mr. Toombs Klassenzimmer ging auf. Eine Gestalt stand auf der Schwelle – ein realer Mensch. Blass. Zerzaust. Graue Stoppeln auf den Wangen. Das Gesicht gezeichnet von Seelenqualen, eine volle schwarze Reisetasche über der Schulter. Die neun Clubmitglieder drehten sich zur Tür. Sir Alan starrte sie mit tränenblinden Augen an. Seine Brille –  normalerweise blitzend wie eine Waffe  – war verrutscht und trüb. Sein Blick suchte  … und fand Andrew.
    »Du bist
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