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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel
Autoren: Justin Evans
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eigenartigen, schmucken Strohhüten, die, wie sein Vater ihn mit einer gewissen Schadenfreude informierte, zur traditionellen Schuluniform gehörten. Chorknaben. Andrew wusste, dass die Schule renommiert war. Ihm war klar, dass er Glück hatte – na ja, zumindest irgendwie. Allerdings konnte er nicht vergessen, dass er nicht hier war, weil er es so wollte – nicht einmal, weil er es verdiente. Ganz und gar nicht. Er sollte nur so schnell wie möglich außer Sichtweite verschwinden – sich in einem Mittelding zwischen Reform- und Abschlussschule weit weg, jenseits des Atlantiks, verkriechen. Damit er seiner College-Bewerbung ein Highlight hinzufügen konnte. Damit ihm neue Lehrer und ein neuer Verwaltungsdirektor Zeugnisse und Empfehlungsschreiben ausstellten. Damit die fünf Jahre in der Frederick Williams Academy zu einer unbedeutenden Fußnote wurden. Ich besuchte die renommierte Harrow School … und, o ja, die gleichermaßen angesehene Frederick Williams Academy. Aber je weniger Worte darüber verloren werden, umso besser. Wenn er in seinen Bewerbungen mit internationaler Erfahrung prahlte, ging vielleicht der Notenunterschied zwischen Zwischenprüfung und Jahreszeugnis unter, und Formulierungen wie hat sich nicht angepasst … intelligent, aber faul … und in letzter Zeit der Euphemismus Probleme mit Disziplin könnten weniger ins Auge stechen.
    Trotz der dringlichen Umstände hatte das Willkommenspaket von Harrow Eindruck auf seinen Vater gemacht. Es beinhaltete das Schulwappen –  ein aufrecht stehender Löwe, heraldische Symbole und ein lateinisches Motto – und eine Liste der prominenten Schüler: Sieben Premierminister hatten diese Schule besucht, darunter auch Winston Churchill. Andrews Vater hatte sich aufgeplustert vor Stolz. In seinen Augen waren die Taylors Aristokraten. Die Familie hatte Plantagen in Louisiana besessen, Andrews Urgroßonkel war Admiral im Bürgerkrieg gewesen, und man hatte ein Schlachtschiff nach ihm benannt. (Alle paar Jahre schickte ein Freund seines Vaters von der Navy dunkelblaue Mützen mit der orangefarbenen Aufschrift U.S.S. Taylor. ) Und Großvater Taylor war Präsident der Kontaktlinsen-Manufaktur Hirsch & Long gewesen und hatte ein kleines Vermögen an Gründeraktienangehäuft. Er war so etwas wie ein Grande in Killingworth, Connecticut, gewesen und hatte ein liebevoll restauriertes Farmhaus –  eine Sehenswürdigkeit  – bewohnt. Das ausgedehnte Anwesen war mit Steinmauern umgrenzt.
    Gleichgültig, ob sich Andrews Vater jahrelang bei American Express abgestrampelt und insgeheim rebelliert hatte, weil er nur zu einem einfachen Abteilungsleiter aufgestiegen und nie in die oberste Führungsetage befördert worden war (zweifellos hatte er das seiner Gereiztheit und seinem schlecht verhohlenen Snobismus zu verdanken), ob die Aktien von Hirsch & Long seit der Erfindung der Laseroperationen und der billigen Importe aus China drastisch gesunken waren oder ob Andrew jetzt ein aktenkundiger Versager war. Es spielte auch keine Rolle, dass sein Vater weder ein Vermögen besaß noch eine berufliche Position bekleidete, die ihn in die oberste Schicht der Gesellschaft von Connecticut oder New York erheben würden. Die Taylors sollten verdammt sein, wenn sie sich zur Mittelschicht zählen würden. Für Andrews Vater gehörten sie zur amerikanischen Aristokratie. Sie hatten Format. Sie verdienten es, in die Harrow School aufgenommen zu werden. In den Augen seines Vaters war dies eine Heimkehr, keine Verbannung.
    Aber sein Sohn sah nichts anderes als die Vorschriften. Kindische, scheinbar endlose Regeln. Ein kleines pedantisches Pamphlet mit der Überschrift »Leitfaden für Neulinge« listete die Vorschriften auf:
    Alkohol verboten.
    Rauchen verboten.
    Essen auf der Straße verboten.
    Der Hügel kann nur mit gültiger Notiz verlassen werden (was immer auch mit »Notiz« gemeint sein mochte).
    Die Jungs müssen die Schuluniform immer tragen. Die einzige Ausnahme sind die Sonntage – da ist die Sonntagskleidung Pflicht.
    Bei Schulversammlungen dürfen keine hellen Regenmäntel getragen werden (das machte ihn sprachlos).
    Keine Lebensmittel in den Zimmern.
    Die Jungs müssen die Lehrer bei Begegnungen auf der Straße mit einem Finger an der Krempe des Harrow-Hutes grüßen.
    Bei Ladys oder dem Schulrektor muss der Hut gelüftet werden.
    Zusätzlich bot der »Leitfaden für Neulinge« noch eine Art Lexikon für den in dieser Schule gebräuchlichen, wahrscheinlich in
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