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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten
Autoren: Deon Meyer
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zwischen ihm und den Armen zu errichten. »Ich kann dich sehen, aber du kannst mich nicht mehr sehen.«
     Das Dritte, was ein reicher Afrikaaner kauft, ist ein zweistöckiges Haus im toskanischen Stil. (Und das Vierte ist eine Nummer
     für sein Auto mit seinem |26| Namen oder der Nummer seines Rugby-Trikots). Wie viel länger wird es noch dauern, bevor wir das uns innewohnende Gefühl der
     Unterlegenheit hinter uns lassen? Warum können wir nicht bescheidener auftreten, wenn der Gott des Geldes uns zulächelt? Wie
     unsere wohlsituierten, Englisch sprechenden Landsleute, deren Hochnäsigkeit mich schwer beleidigt, die aber wenigstens ihren
     Reichtum mit Stil ertragen.
    Ich stand im Dunkeln und spekulierte über den Hausbesitzer Carel. Offenbar war er bereits ein Kunde Jeanettes. Der reiche
     Afrikaaner braucht aber keine Bodyguards, sondern bloß eine Alarmanlage, einen Notruf und eine Wachmannschaft in der Nachbarschaft.
     Welchen Bedarf also hatte Carel für Personenschutz?
    Die Antwort erhielt ich später beim Abendessen.
    Als ich den Raum betrat, saßen die meisten bereits am großen Tisch. Emma stellte uns vor. Sie war offenbar die Einzige, die
     nicht zur Familie gehörte.
    »Carel van Zyl«, sagte der Patriarch am Kopf des Tisches. Sein Händedruck war unnötig fest, als müsse er etwas beweisen. Er
     war ein großgewachsener Mann in den Fünfzigern, mit fleischigen Lippen und breiten Schultern, aber das gute Leben hatte bereits
     Spuren auf seinen Wangen und unterhalb der Rippen hinterlassen. Außerdem gab es drei jüngere Paare – Carels Kinder und ihre
     Ehepartner. Einer von ihnen war Henk, der mich an der Tür in Empfang genommen hatte. Er saß neben seiner Frau, einer hübschen
     Blondine mit einem Säugling auf dem Schoß. Es gab vier weitere Enkel, der älteste war ein Junge von acht oder neun. Ich saß
     neben ihm.
    Carels Frau war groß und unglaublich attraktiv. »Sie können gern ihr Jackett ausziehen, Mr. Lemmer«, sagte sie mit übertriebener
     Wärme, als sie eine Platte mit dampfendem Truthahn auf den Tisch stellte.
    »Mamma …«, sagte Carel mahnend.
    »Was?«, fragte sie.
    Er formte eine Pistole mit der Hand und schob den Finger, der den Lauf darstellte, in sein Hemd hinein. Er wollte ihr andeuten, |27| dass ich eine Waffe trüge und sie nicht würde zeigen wollen.
    »Oh! Entschuldigung«, sagte sie, als wäre ihr ein gesellschaftliches Missgeschick unterlaufen.
    »Kommt, sagen wir Dank«, erklärte Carel voller Ernsthaftigkeit. Alle hielten Händchen und neigten die Köpfe. Die Hand des
     Jungen fühlte sich in meiner klein und schweißig an, die seines Vaters auf der anderen Seite war kühl und weich. Carel betete
     so voller Eloquenz, als wäre Gott auch nur einer seiner Kollegen in der Geschäftsführung.
    »Amen«, hallte es dann um den Tisch. Beilagen wurden angeboten, und die Kinder ermuntert, Gemüse zu nehmen. Es folgten kurze
     Pausen: das heimliche Bewusstsein des
Fremden in ihrer Mitte
und die unmerkliche Unsicherheit über die korrekte Form der Interaktion. Ich war ein Gast, aber auch ein Angestellter, ein
     Eindringling mit einem interessanten Job.
    Der Junge betrachtete mich mit offener Neugier. »Haben Sie echt eine Kanone?«, fragte er.
    Seine Mutter wollte ihn zum Schweigen bringen und sagte: »Kümmern Sie sich nicht um ihn.«
    Ich legte mir Truthahn auf den Teller. Die Gastgeberin sagte: »Es sind nur Reste.« Carel sagte: »Es schmeckt ausgezeichnet,
     Ma.«
    Irgendwer kam aufs Wetter zu sprechen, und die Konversation begann zu fließen – Pläne für den nächsten Tag, wie man die Kinder
     beschäftigen könne, wer damit dran sei, sich um das
Braai
zu kümmern. Emma nahm nicht an dem Gespräch teil. Sie konzentrierte sich auf ihren Teller, aß aber wenig.
    Mir fiel die unnatürliche Herzlichkeit zwischen ihnen auf, obwohl ich da war. Hier gab es keine Konflikte, keine brüderliche
     Rivalität und auch nicht das übliche Hin und Her unter Paaren. Sie waren eher wie eine dieser idealen Familien, die man aus
     dem amerikanischen Fernsehprogramm kennt. Es lag daran, wie Carel das letzte Wort hatte, die entscheidende Stimme. Ihre Unterwerfung
     war kaum zu bemerken, sie war verwoben mit einem fröhlichen, geübten Muster der Interaktion, aber sie war |28| da, sie neigten alle das Haupt vor dem gütigen Despoten – dem mit der Geldbörse und dem Vermögen.
    Wie passte Emma in all das hinein?
    Als die Teller leer waren und ein Gespräch über das Golfspiel am nächsten
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