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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten
Autoren: Deon Meyer
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das ganz richtig ist«, erklärte Emma mir. Die Stehlampe neben ihr
     warf einen weichen Schein auf sie.
    Ich sagte nichts.
    »Ich … Ich dachte mir … Ich war nicht sicher, ob es miteinander zu tun hatte. Nein, ich … Ich wollte nicht, dass es miteinander
     zu tun hatte. Außerdem ist es tausend Kilometer vom Kap entfernt geschehen, und vielleicht war es Jacobus, vielleicht aber
     auch nicht, und ich wollte die Polizei nicht mit etwas belästigen, was ich mir genauso gut eingebildet haben könnte.« Plötzlich
     hörte sie auf zu sprechen, sah mich an und lächelte langsam, als hätte sie ihr eigenes Gerede satt.
    »Das ergibt keinen Sinn, oder?«
    »Lassen Sie sich Zeit.«
    »Es ist nur … es
ergibt
keinen Sinn. Sehen Sie, mein Bruder …« Emma unterbrach sich wieder, holte tief Luft. Sie sah auf ihre Hände, dann langsam
     zu mir auf. Gefühl zeigte sich in ihrem Blick, ihre Hände vollführten eine kleine Geste, aus der Hoffnungslosigkeit sprach.
     »Mr. Lemmer, er ist gestorben …«
    |18| Es waren ihre Körpersprache, ihre Wortwahl und der plötzliche Tempowechsel, die den Alarm in meinem Kopf auslösten. Als hätte
     sie diesen Satz geübt, den Glauben daran. Da war ein winziger Hauch Manipulation, als wollte sie meine Aufmerksamkeit von
     den vorliegenden Tatsachen ablenken. Ich fragte mich nur: Warum sollte das notwendig sein?
    Emma le Roux wäre nicht die erste Mandantin, die mit höchst ernsthaftem Gesichtsausdruck offen log, was eine Bedrohung anbetraf.
     Nicht die erste, die ein paar Tränen verdrückte oder ein wenig übertrieb, um die Anwesenheit eines Bodyguards zu rechtfertigen.
     Menschen lügen – aus Millionen von Gründen. Manchmal einfach nur, weil sie können. Das war eine der Bestätigungen für Lemmers
     erstes Gebot: Nicht einmischen. Es war zugleich der Hauptgrund für Lemmers zweites Gebot: Trau niemandem.

|19| 3
    Emma erholte sich schnell. Als sie keine Antwort erhielt, ließ sie die Gefühle mit einem Kopfschütteln hinter sich und sagte:
     »Mein Bruder hieß Jacobus Daniël le Roux …«
    Sie sagte, er sei 1986 verschwunden. Ihre Sätze kamen jetzt weniger flüssig, ihre Erzählweise war oberflächlich, als wären
     die Details eine Quelle, aus der sie nicht zu trinken wagte. Sie war damals vierzehn; Jacobus zwanzig. Er war eine Art Wildhüter,
     einer von ein paar Soldaten, die sich bereit erklärt hatten, der Verwaltung beim Kampf gegen die Elfenbeindiebe im Kruger-Park
     zu helfen. Und dann war er einfach verschwunden. Später fand man Spuren einer Auseinandersetzung mit Wilderern, Patronenhülsen
     und Blut und die Überreste eines Zeltplatzes, der eilig verlassen worden war. Sie suchten zwei Wochen lang, bis sie zum einzigen
     möglichen Schluss kamen. Jacobus und sein schwarzer Helfer waren bei dem Aufeinandertreffen ums Leben gekommen, und die Elfenbeindiebe
     hatten ihre Leichen mit sich genommen, weil sie fürchteten, was sonst passieren würde.
    »Das ist über zwanzig Jahre her, Mr. Lemmer … Eine lange Zeit … Das macht es alles so schwierig … Letzte Woche, am 22., ist
     etwas passiert, was ich der Polizei nicht gesagt habe …«
    An diesem Samstagabend hatte sie kurz nach sieben im zweiten Schlafzimmer ihres Hauses gesessen. Es war als Büro eingerichtet,
     mit Schreibtisch, Aktenschränken und hohen Regalen. Es gab einen Fernseher, ein Fitness-Rad und eine Pinwand mit ein paar
     fröhlichen Fotos von Freunden plus Zeitungsausschnitten aus Business-Magazinen, die ihren Erfolg als Marken-Consultant bestätigten.
     Emma arbeitete auf ihrem Laptop, sie untersuchte Tabellen von Statistiken, die große |20| Konzentration erforderten. Sie war sich nur vage der Fernseh-Nachrichten bewusst, die ihr das Gefühl eines Déjà-vu verschafften.
     Präsident Mbeki und die Mitglieder seiner Regierung lagen sich in den Haaren, ein Selbstmordattentat in Bagdad, afrikanische
     Politiker beklagten sich über die G8-Konditionen für den Schuldenerlass.
    Später konnte sie sich nicht erinnern, was sie überhaupt dazu gebracht hatte, aufzuschauen. Vielleicht hatte sie gerade eine
     Grafik fertig gehabt und musste einen Augenblick an etwas anderes denken, vielleicht war es reiner Zufall. Als sie jedoch
     auf den Fernsehschirm schaute, dauerte es nur Sekunden, bevor ein Foto erschien. Sie hörte den Nachrichtensprecher sagen:
     »… verwickelt in einen Schusswechsel in Khokovela in der Nähe des Kruger-Nationalparks, bei dem ein traditioneller Heiler
     und drei Männer aus der Gegend
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