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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten
Autoren: Deon Meyer
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starben. Die Überreste von vierzehn seltenen und geschützten Geiern wurden am Tatort aufgefunden.«
    Ein Foto erschien in Schwarz-Weiß. Ein Weißer Anfang vierzig starrte geradewegs in die Kamera, wie für ein Ausweisfoto.
    Er sieht aus wie Jacobus ausgesehen hätte.
Das war ihr plötzlicher, instinktiver Gedanke, eine reine Beobachtung, und ein Hauch von … beinahe Nostalgie.
    »Die Polizei von Limpopo sucht nach einem Mr. Jacobus de Villiers, auch bekannt als Cobus, ein Angestellter einer Tierklinik
     in Klaserie, der bei den Ermittlungen weiterhelfen könnte. Wer über seinen Verbleib Informationen hat, soll die Polizeiwache
     in Hoedspruit kontaktieren …«
    Emma schüttelte den Kopf. Zufall.
    Der Nachrichtensprecher wandte sich nun den aktuellen Preissteigerungen für Grundnahrungsmittel zu, und sie konzentrierte
     ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Computerbildschirm und die Arbeit, die vor ihr lag. Sie zog den Mauszeiger über einen Datenblock,
     wählte ein Grafik-Icon.
    Wie hätte Jacobus ausgesehen mit … vierzig – wäre er dieses Jahr vierzig geworden? Ihre Erinnerung an seine Züge basierte |21| vor allem auf den Fotos bei ihren Eltern zu Hause; ihre eigene Erinnerung war wenig zuverlässig. Aber sie erinnerte sich an
     die unglaubliche Intensität ihres Bruders, seinen Geist, seine überwältigende Persönlichkeit.
    Sie verwandelte die Grafik in bunte Datentürme, die gewisse Kauftrends aufzeigen sollten.
    Zufall. Eigenartig, dass der Mann auf dem Foto im Fernsehen auch Jacobus heißen sollte.
    Emma wählte noch mehr Datenblöcke.
    Jacobus war kein häufiger Name.
    Sie musste Tortendiagramme daraus machen, mit Marktanteilen, um zu demonstrieren, dass das Salatdressing ihres Mandanten der
     Nachzügler war, das letzte Pferd über der Linie. Und dann musste sie das Problem lösen.
    Die Überreste von vierzehn seltenen, geschützten Geiern wurden am Tatort aufgefunden.
    Das hätte Jacobus verärgert.
    Sie machte einen Fehler bei der Erstellung der Grafik und schnalzte mit der Zunge. Zufall, reiner Zufall. Wenn man zwanzig
     Jahre lang jeden Tag Tausende von Informationen aufnahm, passierte das im Leben mindestens einmal, vielleicht zweimal. Die
     Wahrscheinlichkeit verschwor sich, um einen mit ihren Möglichkeiten zu necken.
    Emma unterdrückte diesen Gedankengang fast zwei Stunden lang, bis sie mit den Daten fertig war. Sie sah nach, ob sie neue
     E-Mails erhalten hatte, und schaltete anschließend ihren Computer aus. Sie holte sich ein sauberes Handtuch aus dem Handtuchschrank
     und stieg auf das Fitness-Rad, das Handy in der Hand. Sie las SMS und hörte ihre Nachrichten ab. Sie trat immer schneller,
     schaute abgelenkt Fernsehen, wechselte mit der Fernbedienung die Sender.
    Sie fragte sich, wie ähnlich das Foto Jacobus wirklich sah und ob sie überhaupt in der Lage wäre, ihn zu erkennen. Wenn er
     nicht gestorben wäre und jetzt hier hereinspazierte?
    Was hätte ihr Vater über diese Nachricht zu sagen gehabt? Welcher Arbeit würde Jacobus nachgehen, wenn er noch am |22| Leben wäre? Wie hätte er reagiert, wenn er vierzehn tote, vom Aussterben bedrohte Geier entdeckte?
    Mehr als einmal zwang Emma ihre Gedanken in andere Bahnen, ihre Pläne für morgen, die Vorbereitungen für ein paar Tage in
     Hermanus zu Weihnachten, aber Jacobus kehrte immer und immer wieder zurück. Wenige Minuten nach zehn öffnete Emma einen ihrer
     Schränke und zog zwei Alben heraus. Zügig blätterte sie hindurch, sie hielt sich nicht mit den Bildern ihrer Eltern oder fröhlichen
     Familienfotos auf. Sie suchte nach einem bestimmten Foto von Jacobus, auf dem er seinen Buschhut trug.
    Sie zog es heraus, legte es beiseite und betrachtete es.
    Erinnerungen. Es bedurfte beachtlicher Willenskraft, sie beiseitezuschieben. Sah er aus wie der Mann im Fernsehen?
    Plötzlich war sie sich sicher. Sie nahm das Foto mit in ihr Arbeitszimmer und rief die Auskunft an, um sich die Nummer der
     Polizeiwache in Hoedspruit geben zu lasen. Sie sah wieder das Foto an. Zweifel kehrten zurück. Sie wählte die Nummer in Lowveld.
     Sie wollte nur fragen, ob die ermittelnden Polizisten sicher waren, dass es sich um Jacobus de Villiers handelte und nicht
     um Jacobus le Roux. Das war alles. Nur damit sie diese Idee aus dem Kopf bekam und Weihnachten genießen konnte, ohne sich
     nach ihrer verstorbenen Familie zu sehnen – nach ihnen allen, ihrem Vater, ihrer Mutter und nach Jacobus.
    Schließlich sprach sie mit einem Inspector. Sie
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