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Die Hexe von Hitchwick

Die Hexe von Hitchwick

Titel: Die Hexe von Hitchwick
Autoren: Angela Gaede
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Geschichten des Übersinnlichen

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Die Hexe von Hitchwick
    Autor = Anonym

Die Dunkelheit brach herein. Ein bläulich, grauer Schleier legte sich auf die Bäume, die Erde, die Menschen, dem einen Menschen, der noch nicht im sicheren Zuhause saß.
Zu Hause sein, noch ehe die Dunkelheit hereinbrach.
Ein Befehl, ein Gesetz, welches nicht ausgesprochen wurde, unnötig war jedes erklärende, erinnernde Wort, da ihm jeder folgte. Es war gleich, wer es erlassen hatte, oder wie sinnvoll es war. Folgegeleistet wurde ihm zur Abwehr der Konsequenzen, aus Angst vor dem, was niemand sehen oder wissen wollte.
Eve folgte dem Pakt gegen die Dunkelheit, wie sie dem Weg nach Hause folgte. Nicht weil sie es verstand, nicht weil sie sich der allgemeinen Angst beugte. Sie beugte sich nur der Angst und Strenge ihrer Mutter. Bloß war sie dieses Mal unaufmerksam gewesen. Eine kurze Weile nur und schon hatte sich der Abend herangeschlichen, vertrieb mit schnellen Schritten den Tag.
Es würde Ärger geben, ihre Mutter würde sie bestrafen.
Wer in der Dunkelheit noch herumirrte, trug die Konsequenzen, auch wenn es nur die von Menschen erschaffenen waren.
Das Dorf schien ausgestorben. Eve rannte die matschige Straße entlang, achtete nicht auf die Geräusche hinter den verschlossenen Türen, das laute Bemühen, die Dunkelheit auszusperren.
Vereinzelt flackerte etwas Licht durch die Fenster. Eigentlich war es noch zu hell, um Kerzen anzuzünden, doch in dunklen Zeiten brauchten die Menschen Licht.
Wenn sie um Hilfe rief, würde jemand aus seinem Haus eilen?
Hätten die Menschen den Mut, ihre Türen wieder freizulegen?
Würden sie sich der Dunkelheit stellen, um einer der Ihren zu helfen?
Oder würden sie verängstigt auf die Rufe horchen, beten für die arme Seele in Not, jedoch dankbar dafür, verschont worden zu sein?
Welch schreckliche Gedanken, die Eve durch den Kopf gingen und alles noch ein bisschen dunkler machten. Die grauen Schleier tanzten nicht mehr nur um sie herum, griffen nach ihr, gleich dem Erlkönig, sie waren in sie eingedrungen und machten ihre Seele schwermütig. Eve bemühte sich schneller zu laufen, schneller als die furchtbaren Gefühle und Gedanken in ihr aufsteigen konnten.
Außer Atem, den Saum ihres Rocks voller Schlamm, klopfte sie an das letzte Haus des Dorfs.
„Mutter, lasst mich ein!“
Ein lautes Poltern drang aus dem Inneren. Die Tür wurde aufgerissen, Hände griffen nach Eve, zerrten sie ins Haus.
„Die Truhe!“, rief Eves Mutter.
Knatschend schoben die beiden Frauen die Truhe vor die Tür. Mit zitternden Händen legte die Mutter ein Beutelchen auf die Barrikade und bekreuzigte sich.
„Verzeiht mir. Ich habe nicht bemerkt, dass es schon zu dämmern begann.“
Eves Mutter schwieg. Die Angst wich aus ihrem Gesicht, an ihrer statt glühte Wut auf.
„Sie kommt mit der Dunkelheit. Sie nimmt am liebsten Mädchen, die fast schon Frau sind. Mit deiner Unachtsamkeit hast du dich und unser Haus in Gefahr gebracht.“
Worte strömten durch Eves Gedanken, die sie nicht aussprechen konnte. Das ganze Dorf hatte Angst. Witwen, die stark genug waren ihre Kinder selbst zu ernähren, erschraken bei jedem Krächzen eines Raben. Gestandene Männer behängten sich mit Talismanen und machten bei dem kleinsten Windhauch das Zeichen des Herrn.
Alle zitterten, wenn die Nacht kam.
Es war nicht ungewöhnlich, dass sich die Menschen nur am Tage sicher fühlten. Eve kannte nichts anderes. Bei den ersten Anzeichen der Dämmerung kehrten sie in den Schutz ihrer Häuser zurück.
Fernab der Städte lebte der Aberglaube. Was die Menschen nicht verstanden, erklärten sie sich mit alten Geschichten von Hexen, Geistern und Dämonen.
Nur waren sie nicht wahnsinnig vor Angst gewesen. Niemand hatte die Türen mit Möbel verbarrikadiert oder Salz auf die Fensterbänke gestreut.
Der Wahnsinn begann vor fast genau einem Monat. Ein fahrender Händler brachte die Nachricht, dass zwei junge Mädchen verschwunden seien. Eines kam vom Sammeln der letzten reifen Holunderbeeren nicht wieder. Die Andere verschwand aus ihrem eigenen Elternhaus.
Beizeiten keimten die alten Geschichten auf. Fast vergessene Spukgeschichten, mit denen die Kinder erschreckt wurden, kamen hervor und wandelten sich zu Wahrheiten.
Sie sei wieder da.
Sie habe Hunger.
Sie sei wahrlich nicht allein unterwegs.
Die Dörfer dieser unwirklichen Gegend wurden beherrscht von der Angst vor der Hexe von Hitchwick.
Im Herbst, wenn sich die Natur zur Ruhe
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