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Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid

Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid

Titel: Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid
Autoren: Gabriella Engelmann
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dass sie es nicht ertragen würde, einsam und allein an einem Ort eingepfercht zu sein, von dem es kein Entrinnen gab.
    Eine dunkle, kleine Zelle. Ohne Licht, ohne Luft zum Atmen.
    Sie musste alles daran setzen, um zu verhindern, dass dieser Albtraum Wirklichkeit wurde!
    Langsam streifte sie ihre Kleider ab, steckte ihr Haar hoch und drehte schließlich den Hahn auf.
    Doch diesmal brachten das heiße Wasser und der Duft ihres teuren Duschgels nicht die erwünschte Entspannung.

1
    »Liebling, wo steckst du?«
    Ich hob den Kopf von meinem Kissen und lauschte. Hatte ich eben tatsächlich Dads Stimme gehört? Eigentlich konnte das nicht sein, er wollte doch erst übermorgen zurückkommen.
    Als gefragter Reisejournalist war er ständig, andauernd und für meinen Geschmack immer viel zu lange unterwegs.
    »Niemand zu Hause? Bella? Sarah? Ich bin wieder da!«
    Ich warf die Decke beiseite und sprintete Richtung Flur.
    Sekunden später wirbelte mein Vater mich durch die Luft und ich landete nach ein paar Runden keuchend und prustend auf dem Boden. Dad rieb sich betont leidend das Kreuz, verzerrte das Gesicht und gab mir schließlich einen Kuss auf die Nasenspitze.
    »Jaja, ich weiß, du bist ein alter Mann«, sagte ich und knuffte ihn in die Seite. »Soll ich dir ein Bad einlassen, damit du deine morschen Knochen durchwärmen kannst?« Ich grinste über beide Ohren, denn wenn wir hier eines ganz bestimmt nicht hatten, war es eine Badewanne.
    Weil sie lieber duschte. Weil lange, ausgiebige Schaumbäder die Haut austrockneten und das Bindegewebe schwächten. Und weil ihrWunsch und ihrWille in diesem Haus Gesetz waren.
    Schließlich war es ja auch ihrZuhause.
    »Tee wäre super«, antwortete Dad und hob seinen schweren Koffer vom Boden.
    Diesmal war er sechs Wochen unterwegs gewesen und ich hatte das zweifelhafte Vergnügen gehabt, in dieser Zeit ganz allein mit ihrzu sein.
    »Grün oder Roibusch?«
    »Wie wär’s mit Grünbusch?«
    »Haha«, murmelte ich und stellte den Wasserkocher an, während mein Vater im Schlafzimmer vor sich hin summte.
    Mein Herz tat einen kleinen Sprung, weil mich sein Summen an meine Kindheit erinnerte.
    Ich nahm Dads Lieblingsbecher aus der Anrichte, deren Tür mir wie immer beinahe entgegenfiel. Warum konnte sie sich nicht endlich mal darum kümmern, anstatt den lieben langen Tag vor dem Spiegel zu hocken und die Mitesser auf ihrer Himmelfahrtsnase zu zählen?
    »Wo ist Bella eigentlich?«, fragte Dad, der wie aufs Stichwort im Türrahmen auftauchte.
    Er sah gut aus. Braun gebrannt, mit kleinen weißen Lachfältchen um die Augen. Er schien auch ein wenig abgenommen zu haben, sein T-Shirt spannte nicht mehr ganz so über dem Bauch wie vor seinem Abflug nach Namibia. Das würde Bella gefallen!
    »Einkaufen«, antwortete ich und fügte im Geiste ein »Was sonst?!« hinzu.
    Dad antwortete: »Aha«, und ließ sich auf den Küchenstuhl plumpsen.
    »Und wie geht’s dir, meine Süße?«, fragte er und spielte mit seinem Feuerzeug herum. Hoffentlich hatte er auf der Reise nicht wieder angefangen zu rauchen!
    »Ganz okay. Es ist nichts Besonderes passiert, sonst hätte ich dir schon gemailt oder angerufen.«
    Nein, nichts Besonderes. Von meinen Mordgelüsten gegenüber Bella, meinen schlechten Noten in Physik, einem üblen Skateboardunfall und meinen verwirrenden Gefühlen gegenüber Paolo einmal abgesehen.
    »Lief es denn ganz gut mit… Bella?« Dad war sich meiner miesen Situation offenbar bewusst. Schade nur, dass er nichts tat, um etwas daran zu ändern.
    Deshalb würde ich später wie fast jeden Abend meiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen: die verbleibenden Tage bis zum meinem achtzehnten Geburtstag auf dem Kalender abstreichen. Momentaner Stand: siebenundsechzig. Gefühlt eine Ewigkeit.
    »Wie lange kannst du diesmal bleiben?«, fragte ich.
    Lange genug, um mir diese Kuh endlich vom Hals zu schaffen?
    Dad rutschte unruhig hin und her und spielte mit der Schnur seines Teebeutels.
    Schon klar. Er würde sich so schnell wie möglich wieder vom Acker machen, so wie er es immer tat, seit wir bei Bella eingezogen waren.
    »Nur kurz«, nuschelte Dad in seinen hellen Ein-bisschen-mehr-als-Dreitagebart, den ich persönlich richtig toll fand, der bei Bella aber sicherlich ungnädiges Stirnrunzeln hervorrufen würde.
    »Philipp, na das ist ja eine Überraschung! Ich dachte, du wolltest erst übermorgen kommen!«
    Auftritt Bella Schönhuber, meine Stiefmutter.
    Dad steckte reflexartig das Feuerzeug in seine
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