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Weiß (German Edition)

Weiß (German Edition)

Titel: Weiß (German Edition)
Autoren: Harper Ames
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ihm die Zunge am Gaumen klebte. Außerdem schmeckte er Blut.
    Lewin beugte sich nach vorn und stützte sich mit den Händen auf den Oberschenkeln ab. Wenn er sich nicht beruhigte, würde er jeden Augenblick das Bewusstsein verlieren. Er hatte noch nie über eine gute Kondition verfügt, aber in dieser Hitze mehrere Kilometer weit ununterbrochen zu rennen, brachte ihn eindeutig an die Grenzen seiner Kräfte. Ganz zu schweigen von seiner Begegnung mit Kneif.
    In seiner Nase kitzelte es. Lewin fuhr mit der Hand darüber und erstaunte, als er die klebrige Mischung aus Blut und Schmutz erblickte, die auf seinen Fingern zurückblieb. Kneifs erster Schlag hatte ihn offenbar schlimmer erwischt, als er gedacht hatte. Zu seiner Verwunderung schmerzte seine Nase jedoch kaum. Lewin hoffte inständig, dass sie nicht gebrochen war.
    Langsam trat er ein paar Schritte in den dunklen Raum hinein und kramte dabei mit der linken Hand in der Hosentasche nach einem Taschentuch. Das Blut kitzelte und begann bereits, an seiner Oberlippe festzutrocknen. Die Möglichkeit, es sanft zu entfernen, wurde mit jeder Sekunde geringer. Außerdem wollte er hier keine unnötige Sauerei veranstalten.
    Neben ihm fiel plötzlich etwas klimpernd auf den Boden und rollte anschließend nach links in die Dunkelheit. Lewin blieb stehen. Er musste mit der Hand versehentlich eine Münze aus seiner Tasche geworfen haben. Vorsichtig zog er das Taschentuch aus der Hose und ließ sich auf alle Viere hinunter.
    Während er mit der linken das Tuch an die Nase presste, tastete er mit der rechten Hand den Boden ab. Eigentlich konnte ihm diese Münze egal sein – er hatte nie viel Bares bei sich, weshalb das Geldstück sicher nicht viel wert war. Trotzdem widerstrebte ihm etwas bei der Vorstellung, diese Münze hier liegenzulassen. Er wollte seine Sachen einfach bei sich haben.
    Lewin kroch zwischen zwei Regalen hindurch. Das wenige Licht, das durch die Scheibe der Eingangstür fiel, konnte ihn jetzt nicht mehr erreichen. Er war beinahe vollkommen blind. Trotzdem wollte er die verschollene Münze nicht aufgeben.
    Er schob sich langsam weiter voran, bis er mit seinem Kopf unverhofft gegen etwas Hartes stieß. Über sich hörte er ein schabendes Geräusch und richtete seinen Oberkörper kerzengerade auf. Einen Augenblick später landete ein kleiner hölzerner Gegenstand direkt in seiner ausgestreckten rechten Hand.
    Lewin sog überrascht die Luft zwischen seinen Zähnen ein und lachte dann leise auf. Er konnte nicht sehen, was er da in seiner Hand hielt, aber er glaubte zu fühlen, dass es sich um eine der kleinen Penispuppen handelte, die hier überall herumstanden. Lewin schmunzelte und stellte das kleine Männchen mit den übergroßen Genitalien vorsichtig ins Regal zurück.
    Diese kleinen Figuren fanden sich überall hier im Laden, aber soweit Lewin sich erinnern konnte, hatte niemals jemand eines dieser Dinger gekauft. Trotzdem schien der Rollaschek an ihnen zu hängen, denn von Zeit zu Zeit stellte er ein paar neue in seine Regale.
    Lewin hatte sich insgeheim immer gefragt, ob er die Puppen nicht vielleicht sogar selbst herstellt e.

Der Rollaschek und sein Laden
    Rechtschaffene Menschen waren selten in Weiß. Die meisten scherten sich nur um sich selbst und ließen alles andere links liegen. Ich weiß, dass diese Mentalität in den meisten Städten dieser Welt verbreitet ist, aber meiner Meinung nach standen die Dinge in Weiß besonders schlimm. Das zeigt sich vielleicht daran, dass es in Weiß keine Freiwilligen gab. Keine freiwillige Feuerwehr, keine netten Nachbarn, die den Babysitter spielten und niemanden, der einer alten Dame über die Straße half.
    Der einzige Mensch, der sich in dieser Hinsicht v on den anderen unterschied, war ein Fremder. Ein Zugezogener. Einer, den die meisten anderen Einwohner nicht kannten.
    Der Rollaschek war an einem dieser in Weiß so seltenen verregneten Tage aufgetaucht. Niemand wusste, woher er kam oder was er wollte. Er war plötzlich einfach da, hängte ein Schild auf dem geöffnet stand in die schmierige Scheibe seines Ladenlokals und blieb.
    Das juckte die meisten anderen Leute in Weiß herzlich wenig. Sie kamen nicht einmal auf die Idee , dem neu eröffneten Geschäft einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. Stattdessen zogen sie es vor, ihre Einkäufe weiterhin in dem neuen HighTechSupermarkt außerhalb der Stadt zu besorgen.
    Ich persönlich hasste diesen Ort. Dieses verstrahlte Sammelsurium an Überfluss und
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