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Weiß (German Edition)

Weiß (German Edition)

Titel: Weiß (German Edition)
Autoren: Harper Ames
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Vielseitigkeit schlug mir auf den Magen. Das Licht bereitete mir Kopfschmerzen. Und Alpträume.
    Unter den Neonröhren verwandelte sich jedes noch so hübsche Gesicht in eine abstoßende Fratze. Wie konnte man sich an so einem Ort nur wohlfühlen?
    Trotzdem kam ich nicht umhin, meine Lebensmittel dort einzukaufen. Viel lieber hätte ich sie beim Rollaschek besorgt, aber der führte in seinem Laden nichts Essbares. Im Grunde genommen stand in den Regalen seines Ladens gar nichts, was ein normaler Mensch gebrauchen konnte.
    Glaub mir, ich habe mich oft genug dort umgesehen. Die meisten Gegenstände sahen aus, als wären sie der Fantasie eines Geisteskranken entsprungen. Absolut unnützes Zeug. Zumindest für mich.
    Dem Rollaschek schienen die Sachen etwas zu bedeuten. Einmal wollte ich ihm sogar etwas abkaufen. Einen länglichen Gegenstand, der mich ein wenig an eine Flöte erinnerte, aber keinen Ton von sich gab, wenn man hineinblies. Der Rollaschek hatte mir die Flöte schweigend aus den Händen genommen und zurück ins Regal gelegt. Danach habe ich ihn nie wieder nach seinen Geschäften gefragt.
    Vielleicht hatte er was mit der Mafia am Hut. Vielleicht war er auf der Flucht und versteckte sich in Weiß. Ich wusste es nicht und es war mir auch egal. Ich war einfach nur dankbar, dass es den Rollaschek gab.
    Eines Tages stürzte ich auf der Flucht vor Simon und den Anderen einfach in seinen Laden und bin seitdem immer wieder gekommen. Ich lag blutend auf dem Boden, völlig am Ende und einer Ohnmacht nahe. Ich konnte mich nicht mehr rühren. Tränen liefen mir über das Gesicht. Dann muss ich das Bewusstsein verloren haben, denn das nächste, woran ich mich erinnere, war, dass ich im Hinterzimmer des Rollascheks lag und ihm dabei zusah, wie er meine Verletzungen reinigte.
    Die Schweine hatten mich übel zugerichtet, vermutlich hätte ich ins Krankenhaus gehört. Zu irgendeiner netten Krankenschwester, die meine Wunden reinigte, bevor sie von einem fähigen Arzt untersucht würde. Aber dieser Arzt hätte mir Fragen gestellt. Fragen, auf die ich keine Antwort gewusst hätte. Der Rollaschek hat keine Fragen gestellt. Das hat er nie getan und deshalb bin ich immer wieder gekommen.
    Ich weiß nicht, w arum die anderen mich hier nie erwischt haben. Vielleicht hatten sie Schiss vor dem riesigen Rollaschek. Oder sie dachten, dass niemand so verrückt wäre, sich freiwillig in seinen dunklen Laden zu begeben.
    Ein bisschen könnte ich diese Furcht sogar verstehen.
    Wenn man den Rollaschek nicht kannte, konnte er tatsächlich furchteinflößend wirken. Er war riesig, mindestens zwei Meter groß. Und schwer, mindestens 150 Kilogramm Fett- und Muskelmasse. Sein dichtes, schwarzes Haar und die buschigen Augenbrauen verstärkten seinen gewaltigen Eindruck noch.
    Trotzdem fürchtete ich mich nicht vor dem Rollaschek. Sein Laden war meine Zuflucht. Meine Oase. Aus irgendeinem Grund habe ich mich hier immer so sicher gefühlt, wie nirgends sonst auf dieser Welt.

Vier
    Lewin richtete sich langsam auf und klopfte sich die Hosenbeine ab. Sein Blick glitt erneut über den Fußboden. Zu seinem Erstaunen entdeckte er nun tatsächlich ein schwaches Funkeln, das unter einem der Regale aufblitzte. Schnell bückte er sich, griff nach der Münze und ließ sie noch in derselben Bewegung wieder in seiner Hosentasche verschwinden.
    Ein merkwürdiges Gefühl der Erleichterung machte sich in ihm breit. Offenbar war sein Gehirn durch Kneifs Schläge und das Rennen in der Hitze tatsächlich ein wenig lädiert, wenn er sich so sehr über etwas Kleingeld freute.
    Als er sich erneut aufrichtete, spürte Lewin, wie sich ein leichter Schwindel in seinem Körper ausbreitete. Er legte die Hand an die Stirn und wartete darauf, dass sich die nebligen Schwaden wieder verzogen, als sich ihm plötzlich eine kühle Hand auf die Schulter legte.
    Lewins Lippen entfuhr ein trockener Aufschrei. Er riss seinen Oberkörper zur Seite, stolperte, ruderte mit den Armen durch die Luft und landete anschließend unsanft auf dem Hintern.
    Sofort begann sich die Welt um ihn herum wieder zu drehen. Er stöhnte. Seine Augen starrten angestrengt in die Dunkelheit, konnten aber nicht das Geringste entdecken. Stattdessen hörte er ein leises Kichern.
    Augenblicklich raste ein erschreckender Gedanke durch seinen Kopf. Anscheinend hatten die Anderen sein Versteck entdeckt und ihm hier aufgelauert. Und vermutlich würde er in den nächsten Sekunden die Prügel seines Lebens
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