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Weinstrassenmarathon

Weinstrassenmarathon

Titel: Weinstrassenmarathon
Autoren: Markus Guthmann
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Mann ist Staatsanwalt, ein Berufsstand, der sich auf die heilige Inquisition zurückführen lässt.«
    Dr.   Hoffmann froren die Gesichtszüge ein. Keine ungewöhnliche Reaktion, wenn man das erste Mal einem Anklagevertreter gegenübersaß. »Soso, Staatsanwalt sind Sie. Haben Sie den Mörder ins Gefängnis gebracht?«
    Â»Nein, das hat ein Kollege getan, aber ich habe heute den Wiederaufnahmeantrag auf den Tisch bekommen.« Röder biss sich auf die Zunge, über laufende Verfahren durfte er nicht sprechen. Er hatte sich eindeutig verbabbelt, das konnte ihm ein Disziplinarverfahren einbringen. Gut, sehr viel hatte er nicht gesagt, bald würde es auch die Presse wissen. Röder blickte das ungleiche Ehepaar an und bemerkte, dass Maria aufmerksam zuhörte, das erste Mal, dass sie den Augensex mit Hellinger unterbrach.
    Es ärgerte Röder, dass seine verdeckte Ermittlung in die Hose gegangen war. Das Thema konnte er nicht mehr ansprechen. Maria stand auf und hauchte in ihrem unnachahmlichen Akzent: »Ich werde mal schauen, wie der Meisterkoch seine Köstlichkeiten erschafft.«
    Bei diesen Weinproben war es üblich, dem Koch über die Schulter zu blinzeln. Maria sah aber nicht so aus, als ob sie sich für Kochkunst interessierte. Außerdem war sie schon mehrmals in der Küche gewesen.
    Röder blieb nichts anderes übrig, als sich wieder dem eigentlichen Zweck des Abends hinzugeben. Trotz des leckeren Essens hatte er plötzlich ein flaues Gefühl im Magen. Waren es die Pilze oder machte ihn die Situation nervös? Er ging zur Toilette und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Schließlich verließ er den Raum. Er wollte einen Abstecher über die Küche machen. Katrin rannte ihm entgegen, ohne ihn wahrzunehmen. »Ich mache das nicht noch einmal mit«, schluchzte sie mit tränenerstickter Stimme.
    Hellinger schwang im Hintergrund mit einer verzweifelten Bewegung eine große Schöpfkelle. »Ich kann doch nichts dafür, wenn die mir an den Schwanz greift!«

ZWEI
    Röder band sich den Gürtel seines Bademantels fester um den Bauch, der erfreulicherweise deutlich geschmolzen war, seit er regelmäßig für den Weinstraßenmarathon trainierte. Er öffnete die Wohnungstür, um nach der Sonntagszeitung zu sehen, von der er hoffte, dass sie nicht wieder völlig durchgeweicht neben dem Eingang liegen würde. Er hatte sich zu früh gefreut. Leise schimpfend sammelte er seine bevorzugte Sonntagslektüre aus dem Frühlingsbeet mit Tulpen und Osterglocken. Der starke Westwind hatte sie dorthin geweht. Wenigstens hatte es an diesem Morgen nur genieselt, und die Zeitung würde nach einer Stunde über der Heizung wieder lesbar sein. Er schloss die Haustür, der Schreck fuhr ihm heftig in die Glieder.
    Â»Sodom und Gomorrha, Sodom und Gomorrha!«
    Â»Mutter, hast du mich erschreckt. Was ist denn mit dir los?« Seine Mutter stand im Nachthemd vor ihm, die Haare standen ihr wirr um den Kopf.
    Â»Du solltest dich mal fragen, was bei euch los ist. Sodom und Gomorrha!«
    Â»Mama, nun krieg dich wieder ein. Von was sprichst du?«
    Â»Was? Du weißt nicht, was unter deinem Dach passiert? Du armseliger Vater! Deine Töchter machen aus unserem Heim ein Freudenhaus, und du kriegst das nicht mit?« Seine Mutter war eigentlich sehr liberal gewesen, aber in der letzten Zeit wurde es manchmal richtig schlimm mit ihr. Röder tippte auf Alzheimer, aber sie weigerte sich, zum Arzt zu gehen.
    Â»Mutter, rede keinen Mist, was willst du?«
    Â»Mist, was heißt hier Mist? Er weiß es nicht, der Ahnungslose, er fragt mich, was los ist? Du solltest mal gleich deine älteste Tochter fragen, die vollkommen ins Lotterleben abgestürzt ist. Was ist nur aus meinen Enkelinnen geworden. Sodom und Gomorrha!« Frau Röder senior knallte die Tür ihrer Wohnung zu. Die kunstvoll geätzte Glasscheibe mit dem Abbild der Meduse schepperte.
    Röder schüttelte den Kopf. Er ging grübelnd die Treppe hoch. Seine Laune wurde nicht besser, als ihm ein unangenehmer Gedanke durch den Kopf schoss und er seinen Schritt beschleunigte. Er rannte in die Wohnung, riss die Tür zu dem Zimmer seiner Tochter Marie-Claire auf.
    Â»Papa, spinnst du jetzt völlig, kannst du nicht vorher anklopfen?« Marie-Claire machte eine resolute, kampfesbereite Miene, ganz im Gegensatz zu dem ängstlichen Gesicht, das neben ihr
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