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Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition)
Autoren: Jana Frey
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hat eine neue E-Mail-Adresse«, murmelte meine kleine, große Schwester. »Ich habe an die Pinnwand ihrer alten Schule in Växjö geschrieben, darauf hat sie tatsächlich geantwortet. Dabei geht sie jetzt in Göteborg zur Schule. Weiß der Himmel, warum.«
    »Prima«, sagte ich und freute mich für sie, während ich Achmed schrieb, dass ich mir fest vorgenommen hatte, in den nächsten Jahren, komme, was da komme, nicht mehr umzuziehen.
    »Sergio antwortet allerdings nicht«, sagte Oya in diesem Moment. Sergio Milazzo, Rabeas Exfreund aus Stromboli, schrieb Oya gelegentlich, weil sie ihm oft schrieb.
    Schade, Weltenbummlerin , schrieb Achmed.
    »Warum rührt er sich bloß kaum noch?«, sagte Oya, und ihre Stimme klang ähnlich wie traurig.
    »Oya, er hat eine neue Frau! Und jetzt ein eigenes Kind. Er hat bestimmt viel um die Ohren«, sagte ich zu meiner Schwester, die, wie gesagt, schwer loslassen kann.
    Ach ja, eine meiner Großmütter ist gestorben. Ganz plötzlich , schrieb Achmed in diesem Moment. Morgen fahren wir alle ans Marmarameer zur Beerdigung. Allah Akbar. Ich bin ziemlich traurig, wirklich.
    Wir schrieben noch eine Weile hin und her, ich mit Achmed und Oya mit Jonna in Schweden.
    »Jonna wohnt jetzt bei ihrer Großmutter in Göteborg«, sagte Oya irgendwann. »Ihre Eltern sind irgendwo im Nordosten Afrikas bei antiken Ausgrabungen. Ein ganzes Jahr lang. Sie sind bekannte Archäologen. Weißt du noch?«
    Großmütter. Überall Großmütter. Ich runzelte die Stirn.
    Als Rabea nach Hause kam, sprach ich sie darauf an.
    ICH: Rabea, wo sind eigentlich deine Eltern? Warum sehen wir sie nie? Das ist doch bescheuert. Leben sie noch in Connecticut?
    MEINE MUTTER: Ach, Kassandra, du weißt doch, dass ich mich mit ihnen vor Jahren zerstritten habe. Wir brauchen sie nicht. Sie sind borniert. Engstirnig. Und aggressiv.
    ICH: Vielleicht haben sie sich geändert. So was kommt doch vor.
    M(EINE) M(UTTER): Geändert? Glaub mir, die können sich gar nicht mehr ändern. Ich bin froh, dass ich sie los bin. Glaub mir. Sie tun uns nicht gut.
    ICH: Und was ist mit – Raymonds Mutter?
    Meine Mutter, die dabei war, den Anrufbeantworter abzuhören, Katzenhaare vom Sofa zu zupfen und gleichzeitig aus ihren Schuhen zu schlüpfen – sie tut ständig eine Menge Dinge gleichzeitig, – sank auf das immer noch katzenhaarige Sofa und drehte sich, überrumpelt, wie es schien, zu mir um.
    MM: Marjorie?
    Ich nickte.
    Meine Mutter schaute einen Moment lang vor sich hin, es sah aus, als schweife ihr Blick weit zurück in die Vergangenheit und als gefalle ihr nicht besonders, was sie dort sah.
    MM: Oh, Marjorie …
    ICH: Was ist mit ihr? Ist sie auch tot?
    MM: Tot? – Das könnte natürlich sein. Es ist viel Zeit vergangen. Sie müsste inzwischen …
    Rabea fuhr sich mit den Fingerspitzen über die Stirn.
    MM: … auch schon Mitte Siebzig sein. Himmel. Wie die Zeit vergeht.
    ICH: Ich erinnere mich überhaupt nicht mehr an sie. Wo ist sie? Und wie ist sie? Warum ist sie spurlos verschwunden? Hast du mit ihr auch Streit?
    MM: Streit? Nein, nicht direkt Streit. Es war eher …
    ICH: Eher was?
    MM: Kassandra, ich weiß es nicht genau. Es hatte – mit Raymond zu tun. Es war, weil …
    ICH: … weil was?
    MM: Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Sie war sehr unglücklich damals, als … es passierte.
    ICH: Als Raymond starb?
    MM: … ja …
    ICH: Aber warum ist sie aus unserem Leben verschwunden?
    MM: Sie wurde eisig und unnahbar in ihrem Unglück, Kassandra. Ich … ich konnte sie nicht mehr erreichen.
    ICH: Aber was war mit Oya und mir? Wollte sie uns auch nicht mehr sehen? Ich meine, Raymond war ihr einziges Kind, oder? Da sollte man doch meinen …
    MM: Kassandra, können wir ein anderes Mal darüber reden? Bitte. Ich bin müde und habe Kopfschmerzen. Und mein Tag war schrecklich.
    Der September zog sich hin. Ich musste in den Kernspintomographen, aber sie fanden nichts.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte mich Mr Rosen, als wir uns einmal auf dem Schulhof begegneten. »Hast du dich untersuchen lassen?«
    Ich nickte. »Ja, alles in Ordnung.«
    »Da bin ich aber froh«, sagte Mr Rosen, lächelte mir zu und ging weiter. Seine Augen waren so hellbraun, wie ich noch nie zuvor hellbraune Augen gesehen hatte.
    Oya bestand natürlich den schulinternen Hochbegabtentest und lernte jetzt Schwedisch.
    »Du spinnst doch«, sagte ich zu ihr. »Wie viele Sprachen willst du noch lernen?«
    Oya schaute mich an. »Es ist die erste
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