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Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition)
Autoren: Jana Frey
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kam. Meine Stimme klang immer noch etwas belegt. »Wer war das? Worum ging es? Doch ein Job in Sicht?«
    Ein paar erklärende Worte über die Mimik meiner Mutter :
    Sie sieht annehmbar aus, wenn sie vergnügt ist. Wenn sie aufgedreht ist, Polka tanzt oder etwas Ähnliches tut. Wenn sie Ärger oder Sorgen hat, wird sie blass und ihr Gesicht unbewegt, ihr Mund ein Strich. Ein Maskengesicht. Sie hat öfter Sorgen und Ärger, als dass sie vergnügt und aufgedreht ist. Diese starre Miene an ihr ist ein sehr vertrauter Anblick. (Als kleines Kind habe ich mir oft vorgestellt, ihren Strichmund auszuradieren und ihr mit rotem Crayola-Wachsstift einen lachenden, frohen Mund zu malen.)
    »Jemand vom City Council«, sagte Rabea mit angespannter, oben beschriebener Miene. Maskengesicht. »Sie wollen, dass ich statt der Kinderstation jetzt die Psychiatrische Abteilung anmale. Verdammter Mist, wenn du mich fragst.«
    »Wieso? Ist doch egal, welche Station du anmalst, oder?«, fragte ich irritiert, während ich mir einen Tee machte und einen Sesambagel aufschnitt. Oya kam dazu, und wir setzten uns zu dritt an den Tisch. Wir redeten eine kurze Weile hin und her, weil wir nicht verstanden, warum Rabea so niedergeschlagen war und dem angebotenen Job so ablehnend gegenüberstand. Schließlich gab sie nach und versprach, die Sache zuzusagen.
    »Obwohl ich nicht weiß, was ich da malen soll«, murmelte sie gereizt und verscheuchte Billyboy mit einem Klaps vom Tisch.
    Oya warf mir einen vielsagenden Blick zu. Auf dem Weg zur Schule nahm sie den Faden, dessen Anfang dieser vielsagende Blick gewesen war, wieder auf.
    »Wer weiß, wie lange wir diesmal bleiben«, murmelte sie düster. »Wie soll man sich einleben, wenn man doch immer nur auf der Durchreise ist?«
    Ich gab keine Antwort, und darum redete Oya weiter. »Normalerweise war doch nach einem Umzug immer erst mal alles okay, wenigstens eine Weile, aber diesmal hat sie jetzt schon wieder diesen gehetzten Ich-will-weg-Blick drauf. Du hast es doch auch gesehen, oder?«
    Es regnete, der Himmel war dunkelgrau, es war die passende Morgenfortsetzung zu einem Tag, der mit einer Fliege in der Luftröhre begonnen hatte. Wir erreichten den weitläufigen Schulhof unserer neuen Highschool, der Regen wurde stärker, und mich lächelte ein Junge an, der mit mir in Mathe, Literatur und Spanisch ging. Dean, wenn ich mich nicht irrte. Er saß in Englischer Literatur einen Tisch hinter dieser Selma und mir.
    »Was machst du für ein betrübtes Gesicht?«, erkundigte er sich. »Magst du keinen wilden Regen? – Wild rain, sozusagen. Mann, ich stehe voll auf so ein Wetter.«
    Er deutete eine Spur verächtlich auf ein paar andere Seniors, die sich unter dem Vordach unseres Juniorspavillons drängten, um nicht nass zu werden.
    »Deppen«, murmelte er. »Den Himmel gibt’s zum Unterstellen! Nicht das idiotische Vordach.«
    Dann reichte er mir eine nasse Regenhand. »Darius Seaborn«, stellte er sich vor. »Falls du’s noch nicht weißt.«
    Ach ja. Darius, nicht Dean. Und dazu ein beeindruckender Nachname. Wie Aphrodite, die Schaumgeborene. Besser als Armadillo, das … Egal.
    »Kassandra«, sagte ich und fühlte mich auf einmal ganz eigenartig mit meiner Hand in seiner. Ich starrte diesen Darius an, er hatte blumenblaue Augen, die machten, dass mir kalt im ganzen Körper wurde, warum auch immer. Es war, als habe jemand oder etwas jeden Fizzel Wärme aus meinem Inneren gezogen. Von einer Sekunde zur nächsten. Ich spürte, dass ich auf einmal zitterte.
    »He, was hast du?«, hörte ich ihn fragen, und in seinem Gesicht war ein merkwürdiger, erschrockener Ausdruck.
    Anmerkung über das erste Mal :
    Die ersten Schritte, Worte. Das erste allein gegessene Truthahnsandwich. Das erste Mal Fahrrad ohne Stützräder in der Auffahrt fahren. Wahnsinn. Crazy. Kamera raus! Es gibt viele erste Male: Meine erste Erinnerung an diese schwarze Wolke, mein erster Albtraum, in dem ich an ihr erstickte, lag Jahre zurück. Und jetzt: Zum ersten Mal kam die Wolke am Tag und erstickte mich bei vollem Bewusstsein. Unter Menschen, die dabei zusahen. Darius und Oya und die anderen Seniors unter dem Vordach.
    Am
    Helllichten
    Tag.
    Im Regen.
    Auf dem Schulhof dieser neuen Highschool, während meine Hand, inzwischen gefühllos und kalt, schlaff in der Hand dieses Darius Seaborn mit den blauen Augen lag.
    Die Dunkelheit kam auf einen Schlag. Die Wolke verschluckte jedes Licht um mich herum. Wie ein Tornado. Sie überfiel mich und
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