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Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition)
Autoren: Jana Frey
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elektrostatischen Schauern überrollten mich am ganzen Körper.
    Darius?
    Brendan?
    Zelda?
    Aber was hatte Sergio immer gesagt? Ein Geheimnis, das mehr als zwei Leute kennen, ist kein Geheimnis mehr. Brendan konnte längst mit J. R. oder Ethan oder sonst jemandem über mich und Elija gesprochen haben. Praktisch jeder aus der Schule konnte der unbekannte User auf der Schulpinnwand sein.
    »Kassandra? Bist du noch dran?«
    »Ja«, sagte ich leise.
    »Und dann entarteten die Pinnwandeinträge wohl«, berichtete Oya aus Göteborg. »Zuerst wurde dein Name durch Flavias ersetzt. Angeblich war sie es, die Sex mit Mr Rosen hatte. Oder mit Mr Walenta. Weil er schließlich dauernd in der McKinley-Wildnis herumlungert … Jedenfalls gab es ein ziemliches Hin und Her, und dann war die Seite auf einmal nicht mehr aufrufbar. Wie es aussieht, hat die Schulleitung sie sperren lassen.«
    In dem Moment piepste es leise in der Leitung, der vertraute Laut dafür, dass jemand anderes ebenfalls versuchte, mich zu erreichen.
    »Oya, einen Moment …«, sagte ich und musste meine beinahe erstarrte Hand fast körperlich dazu zwingen, das Handy vom Ohr zu nehmen, um einen Blick auf das kleine Display zu werfen.
    Der Anrufer war E. R. Mehr als seine Initialen hatte ich mich nicht getraut zu speichern. Mein Herz begann zu rasen, schmerzhaft zu rasen. Fast war es eher ein Poltern, ein Stolpern dieses Organs in meinem Inneren.
    »Oya, ich … ich melde mich wieder, okay?«, sagte ich hastig, dann drückte ich sie einfach weg. Ich würde es ihr erklären, eines Tages.

    Elija und ich :
    Wir trafen uns in der Cow Lane in der Nähe der Roten Fabrik. Es war eine kleine, schmuddelige Sackgassenstraße direkt am Containerhafen, vielleicht zehn Gehminuten vom Kleidung-per-Kilo-Shop in der Valencia Street entfernt, von der ich vorher noch nie gehört hatte. Hier gab es eigentlich nichts außer alten, hohen Häusern, beschmiert mit Graffiti, die unbewohnt wirkten. Ich musste für einen Moment an die traurige, dramabehaftete Straße in Hitchcocks Klassiker Marnie denken.
    Elija stand bereits an eine Hauswand gelehnt, als ich einparkte. Parkmöglichkeiten gab es hier genug.
    Ich stieg aus.
    Elija kam langsam auf mich zu.
    »Abschied?«, fragte ich leise, weil ich es plötzlich wusste. Er würde gehen. Jetzt sofort. Ich warf einen Blick auf den Kombi, der aber aussah wie immer.
    »Ja, Abschied«, sagte Elija und nickte. Für einen Moment nahm er meine Hand in seine, dann ließ er sie vorsichtig wieder los.
    Wie wahnsinnig viel passiert war seit heute früh in der McKinley-Wildnis. Es kam mir vor, als lägen Welten dazwischen.
    »Ich habe mit Mr Shoemaker gesprochen«, fuhr Elija fort.
    Ich zuckte zusammen.
    »Kassandra, es stand bereits auf der Schulpinnwand.«
    Elija räusperte sich und machte eine hilflose Geste mit den Händen. »Unglaublich. Brave new world … Wie dem auch sei, ich … ich habe Mr Shoemaker gestanden, dass mir … dass mir – ein Fehler unterlaufen ist.«
    Wir sahen uns an.
    »Fehler …«, wiederholte ich leise.
    Elija nickte. »Aber ich habe deinen Namen rausgehalten. Diese … diese Pinnwandeinträge waren recht wirr, und Mr Shoemaker wollte deinen Namen, denke ich, auch gar nicht wirklich wissen. Er hat, und das kommt uns zugute, wenn man das überhaupt so sagen kann, furchtbare Angst um den guten Ruf seiner Schule. Er hat bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt und die … die Pinnwandeinträge zum … schlechten Scherz einiger Schüler erklärt. In einem persönlichen Schreiben an alle Elternhäuser.«
    Die Welt war dunkel, Elijas Stimme erreichte mich nur gedämpft, wie durch Watte hindurch. »Kassandra, ich habe auch … mit Virginia gesprochen. Ihr konnte ich … nichts vormachen. Sie ist sehr … aufgebracht, aber auch traurig.«
    Elija nahm noch einmal meine Hand in seine. Aber wieder nur für ein paar Sekunden.
    »Sie … sie hatte schon so etwas geahnt. Sie kennt mich sehr gut nach all den Jahren seit wir … Kinder waren. Sie konnte anscheinend in meinen Gefühlen lesen wie in einem Buch: Verlangen, Hoffnung, Verzweiflung, Reue und wieder von vorne: Verlangen, Hoffnung …«
    Er brach ab.
    Und dann war es zu Ende. Einfach so.
    »Wir gehen erst einmal für eine Weile zurück nach Maine«, erklärte Elija zögernd, so als wolle er nur noch so wenig wie möglich von sich preisgeben. »Zizmo überlässt uns sein kleines Haus – du kennst es ja. Das heißt, in Wahrheit überlässt er mir sein Haus.
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