Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition)
Autoren: Jana Frey
Vom Netzwerk:
weil sie sich dort dauernd die Köpfe einschlagen in den Nächten.) Oya hat rasend schnell französisch gelernt. Ich finde, R. mutet uns zu viel zu.
    (Anmerkung: mit R. ist meine Mutter gemeint, sie heißt Rabea, und so nenne ich sie auch. Sie ist nicht so der Mommy-Mutter-Typ, Rabea ist schon okay, aber in meinen E-Mails an Achmed, der kein Terrorist ist und sich vehement gegen Frauenunterdrückung à la Kopftuch, Scharia und Zwangsverheiratungen ausspricht, nenne ich meine Mutter kurz R.).
    Wie geht’s dir, Achmed? …
    Achmed geht es eigentlich irgendwie immer gut, darum ist meine Wie-geht’s-dir-Frage mehr eine Floskel als eine ernstzunehmende Frage. Manchmal wünschte ich, ich könnte Er werden und in sein Leben schlüpfen. Er hat Mutter, Vater, zwei Grandmas, einen Grandpa, einen Urgroßvater, dazu drei Brüder und massenweise Tanten und Onkel, die alle auch nett zu sein scheinen. Nett und normal. Seine Mutter malt keine schranzigen Krokodile oder zieht zu Edgar Nash, dem Reptilienmann, um mit ihm Polka zu tanzen und ihn dann eines Tages sang- und klanglos wieder zu verlassen, sein Vater ist anwesend und liberal und ebenfalls ein Kopftuchablehner. Seine Großeltern scheinen friedliche Rentner zu sein, die ihre Enkel lieben und verwöhnen. Seine Brüder? Keine Ahnung, über die schreibt er eher wenig bis nichts.
    Ich habe gar keinen Vater.
    Nein, das stimmt nicht. Oyas und mein Vater ist tot. Er starb, als ich vier war und Oya zwei. An Krebs.
    Nach seinem Tod wurde meine Mutter von dieser inneren Unruhe gepackt, die dazu führte, dass ich diese Massen von Exlehrerinnen habe.
    Eine Statistik :
    1995 wurde ich geboren.
    1999 starb Raymond, mein Vater.
    Seit 2000 ziehen wir um.
    Die Wolke begleitet mich.
    Frage :
    Wer oder was ist die Wolke ?
    Antwort :
    Ich weiß es nicht.
    Ich habe keine Ahnung.
    Die Wolke ist schwarz und stürzt aus dem Himmel auf mich drauf und hüllt mich ein. Ich fühle mich, als erstickte ich. Die Wolke ist mein Albtraum. Ich träume den Schwarzewolkentraum in unregelmäßigen Abständen. Und nach einem Wolkentraum muss ich mich umziehen, weil ich widerlich schweißdurchtränkt bin. Angstschweiß ist eklig. Nach dem Umziehen liege ich manchmal wach, bis es hell wird. Jeder wird vermutlich verstehen, dass ich den Wolkentraum fürchte wie die Leute im Mittelalter die Pest.

    Wir kamen also zurück nach Amerika, gerade als Oya so perfekt Französisch gelernt hatte, und ich mittelmäßig. Anderthalb Jahre Paris waren von einem Tag auf den anderen schnöde Vergangenheit. Ich siebzehn, Oya fünfzehn.
    »Manchmal hasse ich sie regelrecht«, sagte Oya düster und besprühte Billyboy mit Antiflohspray. Sie ist Rabea. Vor Paris war Stromboli gewesen, Billyboys Heimat. Auch aus Stromboli hatte Oya nicht mehr fortgewollt. Sie verhaftet sehr schnell. Dieser Satz stammt nicht von mir, natürlich nicht, so geschwollen rede ich nicht. Dieser Satz stammt von Rabea, der Umzugsfetischistin. Sie sagte ihn am Telefon zu irgendjemandem, ich bekam es mit einem Ohr mit. Jedenfalls, als wir auf Stromboli wieder die Zelte abbrachen, sozusagen (in Wahrheit hatten wir in einem kleinen, schönen, lichten, etwas meerwasserfeuchten Haus gewohnt, dessen Besitzer Sergio Milazzo gewesen war, dem Wir-leben-auf-Stromboli-Grund unserer Mutter: ihr Lover, ein Touristenherumführer mit tiefen, schwarzen Augen), tobte Oya und spuckte Flüche gegen Rabea aus und drohte damit, sich auf der Stelle im Meer zu ersäufen. Es nützte ihr aber alles nicht. Rabea wollte nach Paris.
    »Welcher Scheißtyp wartet da auf dich?«, brüllte Oya so aufgebracht, dass ihr die Spucke nur so aus dem Mund sprühte. Wäre Oya bei Besinnung gewesen, hätte sie sich dafür geschämt, sie ist ein sehr feiner, aufgeräumter Typ und Spucke-aus-dem-Mund ist absolut unoyahaft. Aber so bekam sie es gar nicht mit.
    »Niemand wartet auf mich in Paris. Aber ich habe genug von dieser schmuddeligen, kleinen öden Insel. Ich brauche Luftveränderung.«
    Wir wollten keine Luftveränderung. Wir liebten die Insel und die Luft dort und den Vulkan und Sergios Mutter, die wir Nonna nannten, und Billyboys dicke, behäbige Katzenmutter, und Signora Graziano, die uns Achmed und die schwedische Jonna verpasst hatte.
    Aber, wie gesagt, es nützte uns alles nichts, denn Rabea und Sergio hatten sich auseinandergelebt, und wir zogen um nach Porte de la Chapelle, wo sich weiße und schwarze Franzosen nachts gerne killen und dabei einen Riesenkrach machen. Und oft auch Feuer,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher