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Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition)
Autoren: Jana Frey
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mich Oya hinterher. Wir waren wieder zu Hause. Haha, zu Hause! Man kann ein kleines, schäbiges, gemietetes Haus, in dem man gerade einmal drei Wochen wohnt, schwer ein Zuhause nennen.
    Ein paar Gedanken über Besitztümer :
    Achmeds Familie besitzt eine Eigentumswohnung in Ankara. Mutter, Vater, er und seine Brüder wohnen darin. Und dann haben sie noch ein Haus am Marmarameer für alle: Omas, Opa, Onkel und so weiter. Ich stelle mir das Haus vollgestopft bis unters Dach vor. Vollgestopft mit Anverwandten und Möbeln, Fotos, Erinnerungen. Schön.
    Selma, die in meiner neuen Schule eine Menge Kurse zusammen mit mir hat, sieht aus, als habe sie ebenfalls eine Menge Besitztümer. Bestimmt Sachen wie einen eigenen Fernseher, viele CDs und DVDs, vielleicht sogar Bücher, aber auf jeden Fall Schränke voll Klamotten und Schminksachen und Schmuck. Beneidenswert.
    Oya und ich haben jede zwei Reisetaschen voll, was bedeutet: ein paar Anziehsachen, je ein eher schon antiker Laptop, ein paar Fotos, einige Bücher in verschiedenen Sprachen, ein bisschen staubigen Diesunddaskleinkram. Und dann natürlich Billyboy. That’s it. Wer so viel umzieht wie wir, kommt nicht dazu, erwähnenswerte Besitztümer anzusammeln …
    »Es war auszuhalten«, beantwortete ich Oyas Frage nach meinem Schultag. »Und bei dir?«
    Oya zuckte mit den Schultern. »Öde«, sagte sie und durchsuchte ihren Laptop schon wieder nach der verloren gegangenen E-Mail-Adresse ihrer schwedischen Brieffreundin. »Allerdings haben wir einen Lehrer in Bildhauen, der angeblich aussieht wie Brad Pitt. Ich finde das ja etwas übertrieben, aber er sieht schon nicht schlecht aus. Mr Walenta. Weil er so hot ist, wollten ihn bei der Wahl viele als Vertrauenslehrer, wurde mir berichtet. Aber es hat nicht geklappt. Stattdessen hat mein neuer Geschichtslehrer, der angeblich die totale Schnarchnase ist, den Posten bekommen. Ein Mr Rosen. Er ist dieses Jahr mein Ansprechlehrer. Tja, Pech gehabt.«
    Oya vertiefte sich wieder in ihren Laptop.
    Kurz darauf kam unsere Mutter nach Hause, also: in das neu gemietete, lichtarme Dreizimmerhaus am Ende der Sunland Road.
    »Was hast du?«, fragte ich, als ich ihre Miene sah.
    »Nichts. Nur Jobprobleme«, antwortete Rabea und warf einen Blick in unseren, wie immer, recht karg gefüllten Kühlschrank. »Es läuft nicht so gut, wie ich gehofft hatte«, fügte sie erklärend hinzu, während sie Makkaroni mit Käse für uns machte.
    Um es kurz zu erklären: Vereinbart war gewesen, dass Rabea die Kinderstation des städtischen Krankenhauses dieser Stadt anmalen sollte, Wand für Wand, ein netter Auftrag, der ein halbes Jahr regelmäßiges Einkommen bedeutet hätte. Aber im letzten Moment war der Job für sie geplatzt, die Klinik hatte sich umentschieden und setzte jetzt auf schlichte, aprikosenfarbene Wandbemalung, und die konnte natürlich ein ebenso schlichtes, gewöhnliches Malerunternehmen übernehmen. Dafür brauchten sie meine Mutter nicht.
    »Idioten. Alles Idioten«, seufzte Rabea und strich sich die Haare aus der Stirn. Sie und ich sehen uns ähnlich. Oya, die Schönere, kommt angeblich nach Raymond, unserem verstorbenen Vater. Wir haben allerdings nur ein Bild von ihm in unserem Gepäck, um das zu beweisen, die meisten alten Sachen sind irgendwo im Nirvana verschwunden, als meine Mutter vom Dauerumzugsfieber gepackt wurde. Sie hat vieles weggeschmissen oder hier und da untergestellt und mit den Jahren vergessen, wo was.
    »Jetzt habe ich finanziellen Leerlauf. Im Winter gehe ich dann, wie besprochen, in den Knast. Aber davor?«
    Im Knast würde man sie nicht einsperren, sie sollte nur mit den Gefangenen dort malen. Einen Malkurs für Strafgefangene geben. Als Projekt. Die anglikanische Kirche dieser Stadt organisierte und finanzierte das.
    »Mist. Mist. Mist«, murmelte Rabea sorgenvoll.

    Der nächste Tag begann damit, dass ich eine Fliege einatmete, während ich eine Morgenmail von Achmed las. Angeekelt begann ich zu husten und mich zu räuspern und was man eben noch alles so macht, wenn man eine gewöhnliche Stubenfliege irgendwo in der Luftröhre stecken hat.
    Aus der Küche drangen Kaffeemaschinengeräusche, aus dem engen, fensterlosen Badezimmer Oyaduschgeräusche. In der Diele klingelte das Telefon, und gleich darauf sprang unser Anrufbeantworter an. Wortfetzen drangen an meine Ohren, während ich immer noch hustete und würgte. Job-für-Rabea-Wortfetzen, so klang es.
    »Und?«, fragte ich hoffnungsvoll, als ich in die Küche
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