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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand
Autoren: Luanne Rice
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ihre Augen blicken konnte. Sie waren veilchenblau, geheimnisvoll, strahlten eine Wärme aus, die ihm das Herz zerriss. Das Gefühl machte ihm Angst. Sein Herz war in den vergangenen Jahren heftigen Stürmen ausgesetzt gewesen, auch wenn er es nie zugegeben hätte. Er hatte seine Frau in die Arme des Priesters getrieben. Aber wie konnte das geschehen, er hatte sie früher doch so sehr geliebt? Warum hatte er zugelassen, dass sie ihm entglitt?
    »Es wird alles gut«, flüsterte Stevie.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich spüre es. Du nicht?«
    »Ich spüre viel zu viel – das macht mir Sorgen.«
    Sie lachte. Er küsste sie. Sie war klein und zierlich – ihr Kopf reichte ihm nur bis zur Mitte der Brust. Er hatte gedacht, dass sie sich zerbrechlich anfühlen würde, aber das war ein Trugschluss gewesen. Sie war stark, sinnlich, biegsam und geschmeidig. Er küsste sie mit einem alles verzehrenden Verlangen.
    Sie gingen zum Bett, sanken darauf nieder. Er knöpfte ihre Bluse auf, küsste ihre Schlüsselbeine und spürte ihren Herzschlag; dann ließ er seine Hand über ihre Rippen gleiten, sah, wie ihre Brustwarzen hart und dunkel wurden, umschloss sie mit seinen Lippen.
    Sie stöhnte vor Verlangen. Er begehrte sie – begehrte sie seit dem ersten Morgen, als er gesehen hatte, wie sie in die Wellen eintauchte, als sie sich alleine wähnte. Vielleicht war es dieses Bild, dieses Eintauchen in das Alleinsein, das ihn am meisten berührt und zu ihr hingezogen hatte, ihm sagte, dass er herausfinden musste, ob sie ihm die Antworten geben konnte, nach denen er suchte.
    Sie knöpfte seine Jeans auf und lachte verlegen, weil es ihr nicht mit einer Hand gelang. Er half ihr, während sie sich ansahen, und er spürte, wie groß sein Verlangen nach ihr war. Nicht nur nach ihrem Körper, der so vollkommen und sinnlich war, dass ihn schwindelte, sondern nach jedem Teil ihres Selbst, den verborgenen Aspekten, oder was immer ihm die Gewissheit einflößte, dass sie genauso einsam gewesen war wie er – trotz anderer Ehen, anderer Männer, trotz Emma, trotz aller Geschichten, Dramen und Tragödien in ihrer beider Leben –, dass irgendetwas zwei Menschen zusammengeführt hatte, allein in diesem Raum, um gemeinsam ein neues Kapitel zu beginnen.
    Ihre Hand war klein, entflammte jede Stelle, an der sie ihn berührte. Sie schob ihm die Boxershorts über die Hüften hinunter, und er spürte, dass sein Verlangen übermächtig wurde. Er umfasste ihre Hüften, streifte den Slip über ihre Beine. Das letzte Mal hatten sie sich auf einem Floß geliebt, wie Schiffbrüchige, die nicht wussten, wie sie gemeinsam ans rettende Ufer gelangen sollten. Doch nun waren sie hier, an Land.
    Sie war feucht. Er drang in sie ein, ihre Beine um seine Hüften geschlungen. Sein Herz klopfte zum Zerspringen. Sie klammerte sich an seinen Rücken, hob den Kopf, um seine Lippen zu küssen. Er hatte sich nie einem Menschen so nahe gefühlt, so körperlich eins, nie zuvor, solange er sich erinnern konnte, aber er war keines Gedankens mehr fähig, sondern verschmolz mit ihr: Einander ebenbürtig ließen sie sich treiben, hier und jetzt, hier und jetzt …
    Er spürte, wie sie sich an ihn presste, wie sie sich ihm entgegenwölbte, ihr Rücken gespannt wie ein Bogen. Sie kamen zur gleichen Zeit, betraten eine neue Welt. Das Mondlicht flimmerte, vom Meer reflektiert, ihre Augen leuchtend unter den dichten schwarzen Wimpern.
    »Darauf möchte ich nie mehr verzichten«, sagte er und strich ihr zärtlich die feuchten Ponyfransen aus der Stirn.
    »Glaubst du, das wäre möglich, selbst wenn wir es versuchten?«
    »Was meinst du damit?«
    »Das, was uns verbindet, ist stärker als wir. Wir haben beide mit allen Mitteln versucht, dieses Gebiet zu meiden, es gar nicht erst zu betreten.«
    »Wie auf deinem Schild. Betreten verboten.«
    »So eins hattest du auch. Es war sogar größer als meins. Eine riesige Anschlagtafel – in Neon. Ich konnte sie aus weiter Entfernung leuchten sehen, von Schottland bis hierher.«
    »Ich habe viele Dinge in meinen Leben vermasselt.«
    »Ich auch.«
    »Ich kenne alle deine Bücher. Ich habe sie Nell vorgelesen, jeden Abend. Sie sind wunderbar. Aber sie haben mich wahnsinnig gemacht. Jedes einzelne. Weil selbst die gottverdammten Vögel ihr Leben besser im Griff haben als ich.«
    »Mir geht es ebenso. Meine Figuren wissen viel mehr als ich. Selbst die Vögel. Was mir sagt, da ich die Bücher ja eigenhändig geschrieben habe, dass ich vermutlich
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