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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand
Autoren: Luanne Rice
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können.«
    »Woher weißt du das?«
    »Erinnerst du dich, wie Nell und ich uns kennen gelernt haben? Sie war auf der Suche nach einer Frau, die in einem blauen Haus lebte. Denn in einem solchen Haus wohnte damals die Freundin ihrer Mutter. Die Suche galt in Wirklichkeit nicht mir …«
    »Sie vermisste ihre Mutter.«
    »Ja.«
    »So mag es angefangen haben«, meinte Jack. »Aber dann hat sie dich ins Herz geschlossen.«
    »Das beruht auf Gegenseitigkeit.«
    Sie tauchten aus dem Tunnel auf, traten ins Mondlicht hinaus, das sie beinahe blendete. Während sie ihren Weg fortsetzten, dachte Stevie daran, dass jeder Mensch seinen eigenen Weg zum Licht finden musste. Sie brauchten unterschiedlich lange dazu, und es hatte keinen Zweck, sie zur Eile zu drängen. Sie hatte mit aller Gewalt versucht, Jack und seine Schwester zu versöhnen – aber er hatte seinen eigenen Weg in seinem eigenen Tempo finden müssen.
    »Woran denkst du?«, fragte er.
    »Dass ich mich im Moment sehr erwachsen fühle. Das Leben spielt uns oft übel mit; das ist nicht fair, und wir haben nicht darum gebeten. Aber sobald wir aufhören, mit unserem Schicksal zu hadern, erkennen wir, dass wir an solchen Herausforderungen wachsen.«
    »Das Leben prägt uns.«
    »Ja. Schritt für Schritt, mit jeder Erfahrung.«
    »Wie hat es dich geprägt?«, fragte er.
    Sie musste nachdenken. Sie blieben stehen, lehnten sich an eine Mauer und blickten auf das unendlich weite silberne Meer hinaus, das sich bis nach Schottland erstreckte. »Es hat mich zu einer Frau gemacht, die Selbstvertrauen hat. Die mehr und mehr ihr eigenes Herz erkennt. Und die Menschen, die ihr nahe stehen, über alles liebt. Was ist mit dir?«
    »Ich wurde zu einem Mann, der schnellstmöglich das Weite suchte, wenn er sich irgendwo zu Hause fühlte. Und der sich nun auf dem Rückweg befindet.«
    Stevie schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn lange und innig. Er presste sie an sich, ihre Herzen schlugen im gleichen Takt. Dieser Einklang war der geheimnisvollen Chemie der Liebe zu verdanken, die trotz der Ferne Veränderungen bewirkt hatte. Ihre Ängste waren verschwunden. Seine Ängste verflüchtigten sich.
    Liebe verändert die Dinge, dachte er. Nell hatte sich auf die Suche nach ihr begeben, und für zwei Familien hatte sich das Leben grundlegend geändert. Lange Zeit hatte Stevie bei den Vögeln – den kleinsten Geschöpfe – nach Lektionen gesucht, die es wert waren, gelernt, gemalt und weitergegeben zu werden. Warum sollte ein Kind, das jüngste Mitglied im Club der Beachgirls, sich nicht als Klügste von allen erweisen?
    »Gehen wir zum Gasthof zurück?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Henry übernachtet bei Doreen. Ich habe sturmfreie Bude …«
    »Das muss Gedankenübertragung gewesen sein.«
    »Wir haben aber nicht die ganze Nacht.« Sein Mund war heiß an ihrem Hals. »Nell wird oben auf dich warten.«
    »Lass mich nur machen«, flüsterte sie und spürte abermals einen Schauer über ihren Rücken laufen. Sie kehrten um, blickten aufs Meer hinaus. Als sie zum Tunnel gelangten, erschien er ihnen nicht mehr so dunkel wie zuvor. Stevie dachte, um wie viel leichter der Weg war, wenn man wusste, dass er wieder ins Licht zurück führte. Und um wie viel leichter es war, Vertrauen zu haben, wenn im Dunkeln jemand ihre Hand hielt, und sie wusste, dass er sie nie wieder loslassen würde.
    Und sie nicht die seine.

    Als sie den Gasthof erreichten, war es fast Mitternacht. Alle Fenster im ersten Stock waren dunkel; vielleicht war Nell eingeschlafen. Nur auf der Veranda und in der Lobby brannte noch Licht. Jack und Stevie schlüpften ins Haus, schlichen auf leisen Sohlen nach oben und lachten, als die Stufen unter ihren Füßen knarrten.
    Stevie ging in ihr Zimmer, um nach Nell zu sehen. Jack wartete, an die Tür seines Zimmers gelehnt, am anderen Ende des Ganges. Lächelnd kehrte sie zu ihm zurück. Schatten huschten über ihr Gesicht, verliehen den zarten Wangenknochen, den strengen Konturen ihrer Haare eine weiche Note.
    »Sie schläft. Alle beide.«
    »Gut.« Jack öffnete seine Tür. »Dann kriegen sie nicht mit, dass du weg bist.«
    Er nahm sie in die Arme, hielt sie stumm für eine Weile. Sie wiegten einander sanft, und er dachte daran, dass er Schottland verlassen hatte, nur um diese Chance zu erhalten. Weißes Mondlicht fiel durch die Fenster, erhellte den Raum. Er trat einen Schritt zurück, um Stevies Gesicht zu betrachten.
    Er strich ihr die Ponyfransen aus der Stirn, so dass er in
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