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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand
Autoren: Luanne Rice
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umfingen seinen Arm – sie musste seine Haut spüren. Sein Körper, hart und muskulös, weckte in ihr die Sehnsucht, sich die ganze Nacht an ihn zu schmiegen.
    Als es ihnen endlich gelang, sich voneinander zu lösen, setzten sie den Weg schweigend fort, die mondhelle Bucht zu ihrer Linken. Die Flut hatte eingesetzt, die Wellen krachten gegen die Felsen unter ihnen. Stevie verspürte einen Schwindel, der nichts mit den steilen Klippen zu tun hatte. Jack hielt ihre Hand, aber sie hatte das Gefühl, als würde sie in die Tiefe stürzen, und rang nach Luft.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja.« Mit einem Mal kam es ihr vor, als hätte sie im Sturz ihre Flügel ausgebreitet, glitte über die Bucht. Sie hatte schon immer Vögel für ihre Arbeit studiert – Anatomie, Spannweite der Schwingen, Auftrieb in der Luft –, und nun war ihr, als wäre sie einer von ihnen. Ein Gefühl, ganz anders als sonst, wenn sie sich verliebt hatte – wenn sie meinte, sich zurückhalten zu müssen, und wusste, dass sie sich nach mehr sehnte als der andere zu geben vermochte. Mit dem Heimflug von Schottland war ihr Jack mehr als auf halbem Weg entgegengekommen.
    »Du lächelst«, sagte er. »Ich spüre es, obwohl es dunkel ist.«
    »Ich dachte gerade ans Fliegen.«
    »Was ist damit?«
    »Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich daran gedacht habe, nach Schottland zu fliegen, um für mein Buch zu recherchieren.«
    »Glaubst du, daran hätte Nell nicht gedacht?«
    »Hat sie?«
    »Und glaubst du, ich hätte nichts von ihrem Plan gewusst, als ich ihr alles schenkte, was man zum Malen braucht, damit sie dir ihre Zeichnungen schicken konnte?«
    »Aber was hat das alles zu bedeuten?« Sie musste es wissen. »Warum bist du hier? Und warum schreibe ich ein Buch, das drüben in Schottland spielt?«
    »Das hat mit Entfernung zu tun«, erwiderte er ernst, als wäre diese Feststellung tiefgründig statt offenkundig. Mit einem Mal erkannte sie, dass sie beides zugleich war.
    »Spielt sie eine Rolle bei dem … was mit Emma geschah? Maddie hat mir die Geschichte erzählt.«
    »Von dem Unfall?«
    »Eigentlich mehr, was vor dem Unfall passierte. Die Sache mit Father Kearsage.«
    »Kaum zu glauben – aber sie wandte sich an ihn, weil sie Hilfe suchte – eine Art Eheberatung, nehme ich an. Es fällt mir schwer, daran zu denken, welche Rolle ich bei der ganzen Sache gespielt habe. Sie erzählte mir immer, meine Kommunikationsfähigkeit lasse zu wünschen übrig – wir sollten professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Ich war stets der Meinung, dass Paare, die eine Eheberatung brauchen, nur einen Schritt von der Trennung entfernt sind.«
    »Wollte sie, dass ihr Father Kearsage gemeinsam aufsucht?«
    »Anfangs schon. Aber es klappte nicht – Geschäftsreisen, Brücken bauen, überall im Nordosten. Ich dachte, sobald es etwas ruhiger zugeht, habe ich mehr Zeit für sie. Dann ist alles wieder im Lot. So in der Art, weißt du?«
    Stevie nickte; sie dachte daran, dass auch sie sich an alte Gewohnheiten geklammert und die wirklichen Probleme in ihren Ehen ignoriert hatte, bis es zu spät war.
    »Dann machte er ihr die ehrenamtliche Mitarbeit bei dem Projekt schmackhaft, das er ins Leben gerufen hatte. Sie war Feuer und Flamme – meinte, sie habe endlich eine Aufgabe, die sie erfülle.«
    »Emma war schon immer sehr enthusiastisch«, sagte Stevie. »Ich kann mir gut vorstellen, wie sie darauf ansprang.«
    »Ich war verletzt. Gekränkt … ich dachte, sie hätte bereits eine erfüllende Aufgabe – als meine Frau und Nells Mutter.«
    »Das war auch sicher so«, erwiderte Stevie ruhig. »Aber sie war auch eine eigenständige Persönlichkeit. Und dieses Potenzial wollte sie wohl unbedingt entfalten.«
    »Das hat Father Kearsage ihr abgenommen. Er hat sie dermaßen eingebunden in die Welt …«
    »Das war ihre eigene Entscheidung. Und kein Verdienst, den er für sich beanspruchen kann.«
    »Er hat es aber trotzdem versucht«, sagte Jack.
    »Was soll das heißen? Hast du mit ihm darüber geredet?«
    »Geredet? Nicht nur das. Ich bin ihm an die Gurgel gegangen – hätte ihn beinahe umgebracht.«
    Stevie ging schweigend neben ihm, hörte zu, als er sich ihr anvertraute.
    »Er nahm an ihrer Beerdigung teil. Ich sah ihn, aber ich stand immer noch unter Schock, unfähig, Madeleine zu glauben, also verlor ich kein Wort darüber. Er hielt die Trauerfeier nicht ab – sondern saß in einer der hinteren Bänke. Er starrte mich an, als ich die Kirche verließ. Ich
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