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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand
Autoren: Luanne Rice
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Steuer, wie betäubt, das alles kam mir gespenstisch vor – wieso sah Emma das nicht? Ich sagte: ›Du liebst einen Mann, der von seiner traumatischen Kindheit verfolgt wird, bis heute, Tag für Tag.‹ Ich wollte ihr die Augen öffnen, ihr klar machen, was sie Nell antun würde und dass es die wichtigste Aufgabe der Welt war, für ihre Tochter da zu sein.«
    »Sie konnte es nicht sehen. Sie war blind vor Liebe.«
    »Ja, das war sie wohl. Deshalb wies ich sie darauf hin, dass sie einen wichtigen Teil ihrer eigenen Persönlichkeit verlieren würde, wenn sie Nell verließ. Den Teil, der auf Vertrauen, Liebe, Glauben gründete … Ich sagte, Richard und sie wollten zwar Gutes tun und die Welt retten, aber dabei würden sie das Leben eines kleinen, wunderbaren, vertrauensvollen Mädchens zerstören.«
    Stevies Augen füllten sich mit Tränen, auch Madeleine war den Tränen nahe, und beide dachten schweigend an Nells Kummer und den Bruch in ihrer Familie, und wie alles damit angefangen hatte, dass Emma sich verliebte. Stevie musste die Augen schließen, um nicht in Schluchzen auszubrechen.
    »Emma war wütend auf mich. Sie sagte, dass Richard und sie deswegen gebetet hatten, jeden Tag … und es könne keine Rede davon sein, ihre Tochter zu verlassen – sie würde nur eine Weile fortgehen … Nell würde das schon verstehen. Sie könne zu Besuch kommen – sie strebe ein gemeinsames Sorgerecht an, und Jack werde ihr dabei gewiss keine Steine in den Weg legen.«
    »Vielleicht kannte sie Jack doch nicht so gut, wie sie dachte.«
    »Ganz meine Meinung. Ich drehte mich zu ihr um und sagte, Jack werde ihr die Hölle heiß machen. Und ich stünde ganz auf seiner Seite – dass ich im Scheidungsprozess für ihn aussagen würde. Dass sie selbstsüchtig sei, Nell einfach so abzuschieben. Und wenn sie das täte, verdiene sie die Liebe ihrer Tochter nicht.«
    »Nell abschieben«, flüsterte Stevie entrüstet und starrte auf das dunkle Wasser.
    »Sie drehte durch. Vermutlich hatte sie gedacht, wir beide befänden uns in dieser Hinsicht auf einer Wellenlänge – sie hatte mein Schweigen missverstanden, meine Versuche zu begreifen, was in ihr vorging, als stillschweigendes Einverständnis gedeutet. Sie hatte gehofft, in mir eine Verbündete gefunden zu haben.«
    »Du hast nur versucht zuzuhören.«
    »Ja. Aber damit war es vorbei – sie meinte, sie wolle es Jack und Nell noch am gleichen Abend sagen. Und am nächsten Tag ausziehen. Ich sagte, ich würde meinem Bruder helfen, das alleinige Sorgerecht zu bekommen, und dass sie sich Unterhaltszahlungen abschminken könnte. Sie erwiderte, das Geld stünde ihr nach all den Ehejahren zu und sie brauche die finanzielle Unerstützung für das Projekt, das sie mit Richard plane.«
    »Das ist lächerlich.«
    »Ich weiß. Ich war so wütend, dass ich wohl Gas gegeben haben muss. Wir fuhren ziemlich schnell … Sie brüllte mich an, ich sei nur Nells Tante und hätte kein Recht, mich einzumischen … sie tat so, als ginge es nur um Nell, aber der Stein des Anstoßes war in Wirklichkeit die Angst, den Anspruch auf Unterhaltszahlungen zu verlieren. Sie sagte: ›Bildest du dir ein, dass sie dir mehr am Herzen liegt als mir? Sie ist meine Tochter!‹ Und dann schlug sie mich, mit voller Kraft …«
    »Oh Maddie.« Stevie ergriff ihre Hand.
    »Mitten ins Gesicht – ich sah Sterne.« Madeleine schloss die Augen, spürte noch immer das Brennen, das Emmas Hand auf ihrer Wange und ihrem Auge hinterlassen hatte. »Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass der Wagen auf dem Kopf stand – wir waren gegen einen Baum geprallt und hatten uns überschlagen. Mein Arm …«
    Stevie drückte ihre Hand. Madeleine spürte den flammenden Schmerz in ihrer Schulter, als sei sie in Stücke geschnitten worden, als sei der Arm mit einem heißen Messer abgetrennt worden. Sie zitterte, doch dann wurde sie ruhiger, als sie in Stevies Augen blickte.
    »Mein Arm hing nur noch an einem Faden. Blut quoll heraus – die Arterie war durchtrennt. Emma lag da, war gegen meinen Körper gerutscht. Ihre Augen waren geöffnet … sie versuchte zu sprechen, Blut gurgelte in ihrer Kehle.« Madeleine begann zu weinen. »Ich wollte ihr helfen, sie retten.«
    »Es war nicht deine Schuld, Maddie.«
    »Sie sah mich einfach nur an – sie wollte unbedingt leben! Ich sah die Panik in ihren Augen. ›Sag ihm, es tut mir Leid‹, stammelte sie immer wieder …« Madeleine schluchzte.
    »Wem, wem solltest du das
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