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Weg da das ist mein Fettnapfchen

Weg da das ist mein Fettnapfchen

Titel: Weg da das ist mein Fettnapfchen
Autoren: Notaro Laurie
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Leute dazu, ins Internet zu gehen und sich Filme zu bestellen, obwohl sie vorher Statements abgegeben haben nach dem Motto »Ich habe keine Lust, mir Precious anzusehen. Ich persönlich halte ja The September Issue für den gesellschaftlich weitaus relevanteren Film, und es ist mir schnurzpiepegal, was das über mich als Mensch aussagt«.
    Es stellte sich heraus, dass ich mit der Einnahme einer winzigen Tablette mein Alter Ego, auch bekannt unter dem Namen Val-Laurie, heraufbeschworen hatte. Val-Laurie ist gewissermaßen meine hominide Urversion, der urzeitliche Affe in mir. Ich glaube noch nicht einmal, dass sie das Chaos um sich herum wissentlich schafft, es geschieht vielmehr auf völlig natürliche Weise, wie die Entstehung des Universums. Val-Laurie kann unberechenbar sein. Sie kann bösartig sein. Sie kann grob sein. Aber wie gesagt: Ich glaube nicht, dass sie das absichtlich macht. Affen wachen schließlich auch nicht morgens auf und nehmen sich vor, heute mal einem Menschen ins Gesicht zu springen und ihm die Haut abzuziehen, sondern es passiert einfach spontan, weil es sich in diesem Moment eben richtig anfühlt. Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass Valium offensichtlich eine Art De-Evolutionspille ist, die die Synapsen kurzschließt und jegliche in meinem Gehirn verankerten gesellschaftlichen Konventionen auflöst, sodass ich runde acht Stunden zum Australopithecus mutiere, der durch die Steppe streift und alles jagt und sammelt, was er kriegen kann. Und wenn das bedeutet, dass ich im Zuge dessen salzige Snacks und hübsche Sandalen in meine Höhle schleppe, dann soll es wohl so sein. (Für all jene, die an das sogenannte Intelligent-Design-Konzept glauben und der Überzeugung sind, dass bestimmte Teile des Universums und des Lebens auf einen intelligenten Schöpfer zurückzuführen sind, lasse ich meine Aussage gern durch ein Religionsübersetzungsprogramm wie www.RegenIstWennGottWeint.com laufen. »De-Evolution« bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein Dämon Besitz von meinem Körper ergriffen hat, weil ich am Freitag Fleisch gegessen habe, und wenn ich unter dem Einfluss schlaffördernder Pharmazeutika stehe, bin ich automatisch des Teufels willfähriges Geschöpf. Wenn man mich also mit einem Fisch beinkorsett mit Walknochen, sechs Unterröcken und eine m Wollkleid aus fünf Metern Stoff in einen See wirft, werde ich wohl schneller untergehen als die Intelligent-Design-Theorie, und die ist schließlich in Blei gegossen.)
    Nachdem mir also bewusst geworden war, dass ich mich nächtens in einen Affenzombie verwandle, der sich jeden Cupcake erbarmungslos einverleibt, den er kriegen kann, der Zugang zu meiner Kreditkarte besitzt und mehr oder weniger unwillkürlich ins Reich der schwarzen Magie abtaucht, wog ich die Risiken gegen den Nutzen ab. Und es tut mir ja echt leid, aber ich sehe da keinerlei Konflikt. Ich schlafe ausgesprochen gern, wenn also von Zeit zu Zeit ein Schokoriegel oder ein Minikuchen mitten in der Nacht einer wilden Fressattacke zum Opfer fällt, finde ich das nicht weiter tragisch. Wenn mir meine nächtlichen Exzesse am nächsten Tag das eine oder andere Paar Schuhe vor der Tür bescheren, freue ich mich darüber, deshalb noch mal: Tut mir leid, aber ich sehe da absolut kein Problem.
    Nach allem, was ich weiß, vollzieht sich die Verwandlung in Val-Laurie ziemlich zügig, um nicht zu sagen, innerhalb von Sekunden. Laut meinem Ehemann, der bereits mehrfach Zeuge dieser Metamorphose geworden ist, verwandle ich mich in ein scheinbar abgeklärtes, hoch aggressives Geschöpf, das ihn mit einem seelenruhigen »Los, komm mir ruhig blöd. Ich reiß dir den Arsch auf. Interessiert mich alles einen feuchten Dreck. Also, überleg’s dir gut, was du tust oder sagst«-Blick festnagelt.
    Für mich hingegen vollzieht sich diese Verwandlung nahezu unbemerkt. Zumindest bis zum nächsten Tag, wenn ich ins Badezimmer komme und dort etwas liegen sehe, das wie ein Stück Holz aussieht. Im ersten Moment bekomme ich Panik, wir könnten Termiten im Haus haben, ehe ich merke, dass es sich um ein Stück Brezel handelt. Und mit einem Mal sehe ich Val-Laurie vor meinem geistigen Auge auf dem Klo sitzen und sich Brezeln in den Mund schieben, als wäre es Popcorn. Oder ich will in mein Arbeitszimmer gehen, sehe unterwegs einen angebissenen Käsecracker auf dem Dielentisch liegen und habe einen spontanen Flashback, in dem ich mich mitten in der Nacht wie ein Trüffelschwein meine Handtasche durchwühlen und die
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