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Wechsel-Wind

Titel: Wechsel-Wind
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dann würde sie möglicherweise bitten, daß er ihr das seltene Holz schenkte. Also sollte er ihr vielleicht lieber sagen, sein Talent bestehe darin, sie zu dem zu machen, was sie sein wolle – so lange sie beisammen seien. Dann müßte sie einige Zeit in seiner Gesellschaft verbringen. Denn er wäre nicht nur mit Sprachlosigkeit geschlagen, wenn sein Augenblick vorbei war, er würde auch noch zur Unbeweglichkeit verdammt sein, sobald sie sich offiziell von ihm trennte. Daher war sein Eingangsmonolog von überwältigender Bedeutung, und er mußte es beim ersten Mal richtig machen. Im Grunde entschied dieser Moment über Sieg oder Niederlage in der Wette. Lieber als den Augenblick hätte er die Gunst der Stunde genutzt.
    Er griff nach der Zeitpflanze. Sie war klein, daher war ihre Wirkung begrenzt. Jemand hatte rings um sie einen Kreis in den Boden gezeichnet, um den notwendigen Sicherheitsabstand deutlich zu machen. Leute, die ein Blatt Zeit ernten wollten, mußten dazu einen hölzernen Haken benutzen, denn leblose Materie wurde nicht sehr beeinflußt. Genau das zu tun, kam Geschick hierher. Wenn sie das Blatt am Haken hatte, würde sie es in einen verzauberten Beutel stecken, der seine Wirkung unterdrückte, und den Beutel ihrer Mutter bringen. Die Mutter wußte selbstverständlich, wie sie das Gewürz sicher handhabte – Mütter brauchten immer ein wenig mehr Zeit, als sie hatten.
    Nimby tauchte hinter einem Haufen Steine in der Nähe der Pflanze ab. Seine Gestalt war gut im Abtauchen, das lag am Jauchentaucher-Anteil. Von hier aus konnte er das Mädchen zwar nur schlecht beobachten, aber dafür wäre er selbst auch nicht sehr gut zu sehen, und darum ging es ja schließlich. Er konnte natürlich sein Bewußtsein nutzen, um sie zu beobachten, wie sie näherkam, aber es war einfacher, lediglich ihre Ankunft zu erlauschen und sich währenddessen im Geiste noch einmal die Worte zurechtzulegen, die er sagen wollte, wenn sein Moment kam. Und bei dieser Generalprobe konnte er eigentlich keine Ablenkung gebrauchen.
    Wie ließe sie sich dazu bringen, ihm schweigend zuzuhören? Vielleicht sollte er ein einfaches Quaken von sich geben, dann würde sie ihn für eine Ente oder sonst einen Vogel halten, der zufällig der Sprache der Menschen mächtig war, und ohne Sorge verweilen. Auf die ersten Worte kam es an, mit ihnen mußte er ihr klarmachen, daß sie ihn nicht unterbrechen durfte, und dann konnte er den Rest abspulen. Miß Geschick hatte bei ihrem ständigen Pech sicherlich gelernt, vorsichtig zu reagieren, also würde sie vermutlich zunächst einmal zuhören – jedenfalls für einige Zeit.
    Seine Eselsohren zuckten. Da kam sie! Während er nachdachte, war sie mit leisem Schritt nähergetreten. Sie stand an der Umgrenzung der Zeitpflanze; sein Bewußtsein erkannte ihre Gestalt als die einer jungen Menschenfrau. Fast hätte er sie nicht bemerkt. Er durfte keinen Sekundenbruchteil mehr verlieren!
    »Quak! Quak!« machte er mit seiner vogelhaften Stimme. »Hör mir bitte zu, ohne mich zu unterbrechen, denn ich habe dir Wichtiges mitzuteilen. Ich weiß von deinem Problem mit deinem Talent, und ich kann dir helfen, es umzukehren, denn mein Talent besteht darin, aus einer Person zu machen, was sie sein will, solange sie sich in meiner Gesellschaft befindet.« So weit, so gut; keinen Ton hatte sie von sich gegeben. Aber er mußte sich beeilen und den Rest erzählen, bevor der Moment vorüber war. »Ich bin dein Freund, aber ich bin kein Mensch. Ich bin häßlich, aber ich will dir nichts Böses. Ich brauche die Begleitung eines Menschen wie dir, und ich werde alles tun, um meine Gesellschaft lohnend zu machen und dir dein Vertrauen zu vergelten. Aber wenn ich zu Ende gesprochen habe, werde ich nicht wieder reden können – ich werde vollkommen stumm sein. Deshalb mußt du mir genau sagen, was du wünschst. Bleibe bei mir, und du kannst sein, was du sein willst, solange wir zusammen sind. Ich möchte nichts anderes, als deine Freundschaft zu gewinnen. Erschrick nicht über mein Aussehen – es ist fürchterlich. Ich bedeute für dich keinerlei Gefahr, denn ohne deine Begleitung werde ich Schlimmes erdulden müssen.« Hatte er alles abgedeckt? Von sich selbst konnte er ihr nicht mehr verraten – er hatte sich der Wahrheit schon so weit genähert, wie er wagen konnte. Aber vielleicht sollte er ihr noch seine Gestalt erklären, damit sie nicht schreiend davonlief, sobald sie ihn erblickte. »Ich bin ein verzaubertes Wesen und in
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